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Uni-Vorgeschichte I: PH-Landesverbund als Kompetenznetzwerk

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Niedersachsen sukzessive wieder Strukturen der Volks- und Realschullehrerausbildung aufgebaut, die in der NS-Zeit untergegangen waren. Auf die in den späten 1920er Jahren als Reaktion auf die veralteten Lehrerseminare erfolgten Pädagogischen Akademiegründungen (so in Niedersachsen z.B. in Hannover und Oldenburg), folgten nach deren kurzzeitiger Wiederbelebung nach 1945 rasch die Schaffung Pädagogischer Hochschulen (PH). Die 1946 in Vechta gegründete Pädagogische Akademie wurde so schon 1947 zur PH Vechta, von Anfang an katholisch geprägt. Im Februar 1965 war dann die alleinige Ausbildung von Lehrkräften für konfessionell katholische Schulen im Rahmen des zwischen Land und Heiligem Stuhl in Rom geschlossenen Niedersachsen-Konkordats an der PH Vechta „als gegenwärtiger Charakter“ dauerhaft verbindlich festgeschrieben worden. Eine ähnliche katholische Bindung hatte bis dato auch die PH in Alfeld/Leine innegehabt, die aber ihren konfessionellen Chrakter mit dem seit 1961 geplanten Umzug nach Hildesheim (erfolgte dann 1969) verlor. Das Konkordat verlieh damit allein der PH Vechta (bis heute) einen besonderen rechtlichen Status.

1961 hatte man bereits einen großzügig gestalteten und modernen Neubau-Campus für die PH in der Driverstraße "auf der grünen Wiese" erstellt (Gebäude A-D), der bis 1968 um das langgezogene E-Gebäude mit dem prägenden Kopfbau der Aula (F) samt Konzertorgel ergänzt wurde. Mit den modernen Fassaden in Beton-Rastergliederung im harmonischen Zusammenspiel mit traditionellen Backsteinflächen war eine mustergültige Lehranstalt entstanden. Helle Seminarräume, Hörsäle, Schwimmbad und umfangreiche Sportanlagen sowie Studentinnenwohnheim mit Kapelle und Mensa (Edith-Stein-Kolleg, heute R-Gebäude) ergänzten das Areal weit vor der Stadt. Somit gehörten alle baulichen Nachkriegsprovisorien und Behelfsbauten der Geschichte an, die PH war in ihrer größten Wachstumsphase und technisch auf der Höhe der Zeit: Es gab ab 1966 sogar einen Seminarraum mit angegliedertem Klassenbeobachtungsraum, wo über eine "Mitschauanlage", heute würde man Videoanalyse sagen, das Agieren der angehenden Lehrkräfte im Unterricht beobachtet und ausgewertet werden konnte. Die PH Vechta war bundesweit nach Bonn und Heidelberg die dritte Pädagogische Hochschule mit einem solchen modernen Forschungsinstrument.

Aber das tradierte dreigliedrige Schulsystem stand zunehmend in der Kritik, Bildungsexpansion und -öffnung war eine wesentliche Forderung der damaligen Zeit. Zudem die Ausbildung der Lehrkräfte für Gymnasien nach wie vor getrennt nur an den drei großen und entfernten Universitäten des Landes (Göttingen, TH Braunschweig, TH Hannover) erfolgte, was einer gesamtheitlichen Lehrkräfteausbildung für neue, integrierte Schulformen im Wege stand.

Als erster Schritt wurden daher zum 01.04.1969 die acht Pädagogischen Hochschulen des Landes

  • PH Braunschweig – (zur TU Braunschweig 1978)
  • PH Göttingen – (zur Universität Göttingen 1978)
  • PH Hannover – (zur Universität Hannover 1978)
  • PH Hildesheim (zuvor in Alfeld/Leine bis 1969, zur Hochschule Hildesheim 1978)
  • PH Lüneburg –  (zur Hochschule Lüneburg 1978)
  • PH Oldenburg –  (zur Universität Oldenburg 1974)
  • PH Osnabrück (ehemals Adolf-Reichwein-Hochschule Celle, seit 1953 in OS, zur Universität Osnabrück 1974)
  • PH Vechta –  (zur Universität Osnabrück 1974–1995)
  • PH Wilhelmshaven – (geschlossen 1969)

in einer wissenschaftlichen „Pädagogischen Hochschule Niedersachsen“ (PHN) mit rund 9.000 Studierenden zusammengefasst. Verbunden waren damit ein zentrales Rektorat und ein gemeinsamer Senat (ein solcher war schon seit 1962 standortübergreifend mit Beteiligung aller lehrerbildenden Hochschulen begründet worden) sowie eine Abteilungskonferenz. Die acht dezentralen Standorte (Abteilungen) fungierten fortan als weitgehend autonome Fakultäten mit jeweils einem eigenen Dekan vor Ort. Ziel war es, die erziehungswissenschaftliche Forschung und Lehre sowie die Lehrkräfteausbildung für Grund- und Hauptschulen (bislang Volksschule), später auch für Realschulen, gemeinsam wissenschaftlich weiter zu entwickeln. Auch Diplom-Pädagogik konnte nun studiert werden. Ergänzend bekam die PHN letztlich 1972 auch ein eigenständiges Promotionsrecht und war mit über 17.000 Studierenden 1973 sogar die größte Hochschule des Landes, noch vor der Universität Göttingen. Auch die Lehrkräftefortbildung sollte an den regionalen PHN-Standorten qualifiziert übernommen und konzentriert werden. Gedanken, die im Land Niedersachsen erst sehr viel später (2012!) wieder aufgegriffen werden sollten (Kompetenzzentren). Schon von Beginn an wurde seitens einiger der PH-Abteilungen in der neuen PHN der weitergehende gesamtheitliche Ausbau zu einer Pädagogischen Landesuniversität gefordert, eine Neugründung von örtlichen Universitäten, z.B. in Oldenburg, wurde hingegen als "Illusion" bezeichnet. Dass das Management einer Hochschule mit acht Standorten im ganzen Land und zentralen Gremien nicht ganz unkomplex war, beweist schon das nach nur einer einzigen Auflage wieder eingestellte standortübergreifende Vorlesungsverzeichnis von 1970 mit über 350 Seiten Umfang. Schnell kam man daher wieder auf örtliche Verzeichnisse zurück. Die Studierenden hatten mit den übrigen PHN-Standorten ohnnehin kaum Berührung, übergreifende Lehrangebote gab es nicht, so dass ein "Einheitsvorlesungsverzeichnis" auch praktisch wenig Nutzen hatte.

Letztlich konnten sich die Pädagogischen Hochschulen aber auch im Verbund der PHN innerhalb der Akademisierungsdebatte und -sukzession der Lehrkräftebildung, die zunehmend an die wissenschaftlichen Universitäten strebte, als spezialisierte Hochschulform nicht halten. Gerade im Prozess der Diskussion um die Neugründung von Universitäten bzw. Integrierten Gesamthochschulen im Westen Niedersachsens kam ihr aber eine wesentliche Stimme für die Verankerung der Lehrkräftebildung innerhalb dieser neuen Strukturen zu. Letztlich erfolgte mit dem Ausscheiden Oldenburgs, Osnabrücks und Vechtas aus der PHN-Struktur 1974 zugunsten der Einbeziehung in die beiden neuen Universitäten ein Niedergang, der 1978 mit der Verselbständigung (Hildesheim, Lüneburg) bzw. Angliederung aller übrigen PHN-Standorte an örtliche Universitäten endete. Nur in Baden-Württemberg (und z.B. in der Schweiz) hält sich die PH als besondere bildungswissenschaftliche Hochschulform neben den Universitäten und (Fach-)Hochschulen noch heute.