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PROJEKT I: Briefe 1956–1971. Von den Anfängen bis zum Pop

Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung

Brinkmann nutzte Briefe u. a., um die Grenzen zwischen Biographie und Literatur planvoll aufzulösen. Er integrierte authentisches Briefmaterial in alle Textsor­ten, in die Gedichte der letzten autorisierten Publikation „westwärts 1 & 2“ (1975), das große collagierte Ma­terialalbum „Rom, Blicke“ über die Zeit seines Villa Massimo-Stipendiums etc. Auch die sogenannten ‚Kollaborationen‘ – noch unveröffentlichte, dialogische Schreibexperimente – zehren von den Korrespondenzen und zielen auf die Auflösung individu­eller Autorschaft. Ein Spezifikum Brinkmanns sind über mehrere Tage fortgesetzte Großbriefe (bis zu 50 Seiten engzeiliges Typoskript, gedruckt ca. 70-80 Seiten); oft sind die Briefe auch mit Fotos, Zeichnungen oder Aquarellen versehen.

Als poetologische Statements stehen die Briefe neben den Essays, Rundfunkbeiträgen und Nachworten und sind nicht zuletzt aktive Werkpolitik. Sie erschließen Details für die noch ungeschriebene Biographie des Autors (Lektüren, Kino-, Konzertbesuche, Interessen, Adressaten), erhellen seinen Beitrag zu Popliteratur, Pop Art und ihrer Rezeption in Deutschland, spiegeln Netz­werke, Literatur- und Verlagsgeschichte, bieten Grund­lagen für intermediale Studien (u. a. zu Brinkmanns Ver­hältnis zur Bildenden Kunst) und enthalten auch oft frühe Fassungen von Texten oder Hinweise auf Bände, die für Verlagsbewerbungen zusammengestellt wurden.

Die Edition wird chronologisch gegliedert. Die ersten drei Bände umfassen: I. Frühe Briefe, Existentialismus/Surrealismus (1956–62); II. Kölner Kreis (1962–65); III. Popliteratur, Experimentalfilm (1965–71). Belegt sind aus diesen Phasen Schreiben an Gottfried Benn, Hans Henny Jahnn, Hans Bender, Hans Werner Richter (Einladungen zur Gruppe 47 lehnte Brinkmann mehrfach ab) oder Ron Padgett (zu der Lyrikanthologie „Acid“, mit der Brinkmann die Avantgarde und Subkultur der USA ins Deutsche holte); Verlagskorrespondenzen mit Rowohlt und Suhrkamp; Entwürfe für Super-8-Filme u. v. a. Gegen Ende dieser Phase entfällt programmatisch und endgültig die Trennung von privater Korrespondenz und literarischer Produktion.