Springe zum Inhalt

Lena Linder, Simone Homeier, Carolin Piotrowski, Cornelia Stiller

KIU – Entwicklung eines Profils „KI und Urteilsbildung“ am Oberstufen-Kolleg Bielefeld

Abstract:

 

Wir – ein Team aus Lehrenden unterschiedlicher Fächer – verfolgen in einem Entwicklungsprojekt an unserer Versuchsschule das Ziel, ein fächerübergreifendes, modulares Profil, d. h. einen Verbund von Grundkursen der Oberstufen, die sich aus ihren jeweiligen Fachperspektiven mit einem übergeordneten Thema auseinandersetzen, zu entwickeln. Im Profil steht der Zusammenhang von Künstlicher Intelligenz (KI) und Urteilsbildung im Fokus. Dabei entwickeln wir miteinander verzahnte Kurskonzepte für die Fächer Biologie, Englisch und Philosophie, die sich mit der gesellschaftlichen Relevanz von KI in den drei Aufgabenfeldern der gymnasialen Oberstufe auseinandersetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei Fragen wie:

Ist unsere Freiheit bedroht, wenn alltägliche Entscheidungen mithilfe von Algorithmen getroffen werden? Nach welchen ethischen Standards sollte KI Entscheidungen treffen dürfen? Was bedeutet es für unser demokratisches Zusammenleben, wenn Prozesse öffentlicher Meinungsbildung durch KI beeinflusst werden? Wie verändert sich unsere Sprache durch KI?

Im Sinne des Leitbildes der Versuchsschule, welches reformpädagogische Grundideen einer Lehr-Lernpartnerschaft auf Augenhöhe als zentrales Element beinhaltet (Fiedler-Ebke & Klewin, 2020), sollen diese Fragen mit Schüler*innen diskutiert und ausgehandelt werden. Im Bereich der KI sind Formen der Partizipation naheliegend, da Schüler*innen hier einiges an Erfahrungen und Wissen mitbringen (Heinrich & Haghani, 2023). Diese Kenntnisse durch ein Üben in eigener Urteilsbildung zu vertiefen und neu zu perspektivieren ist ein Ziel des Profils. Im Rahmen der Dagstuhl-Erklärung (Brinda et al., 2016) wird diesbezüglich deutlich, dass Digitale Bildung im Unterricht unter drei Perspektiven (technologisch, gesellschaftlich-kulturell und anwendungsbezogen) betrachtet werden sollte. Die Entwicklung dieses Profils lässt sich als eine Antwort verstehen, sowohl auf die Integration von KI-Technologien in den Alltag als auch auf die Notwendigkeit, Schüler*innen nicht nur technisches Verständnis, sondern auch kritische Reflexionsfähigkeiten zu vermitteln (Bornmüller, 2020), die insbesondere in der gesellschaftlich-kulturellen Perspektive deutlich werden (Brinda et al., 2016; Michaeli, 2022). Als Teil einer Gesellschaft ist es für Schüler*innen notwendig, dass diese die Bedeutung, Möglichkeiten und Herausforderungen von KI diskutieren und reflektieren können (Michaeli, 2022). Durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Profils soll es Schüler*innen ermöglicht werden, exemplarisch zu dem Oberthema KI zu lernen, aus verschiedenen fachlichen Perspektiven heraus, Probleme zu analysieren (Hahn, 2008) und Urteile zu bilden.

Im Rahmen des Projektes findet bereits in der Entwicklungsphase unter Einbezug externer Expert*innen eine prozessbezogene Evaluation statt, im Rahmen derer die Konzepte und Materialien reflektiert und einzelne Module im Unterricht erprobt werden (Altrichter et. al., 2018; Fichten & Meyer, 2006). Bezogen auf einen potentiellen Transfer in andere Bildungseinrichtungen ermöglicht die modulare Struktur eine flexible Integration in bestehende Lehrpläne, so dass ein Transfer möglich ist und somit das Projekt zur schulübergreifenden Entwicklung (MSB NRW, 2023) beitragen kann. Insgesamt verspricht das Projekt durch die innovative Verknüpfung von KI-Thematiken mit fachübergreifendem Unterricht nicht nur die Entwicklung neuer Unterrichtsmaterialien, sondern auch einen Anstoß für einen kritischen Umgang von Schüler*innen mit neuen Technologien. Es setzt damit an der Schnittstelle von technologischer Bildung und gesellschaftlicher Verantwortung (Stalder, 2016) an und kann zur Entwicklung einer fundierten Urteilsbildung bei Schüler*innen in einer zunehmend von KI geprägten Welt beitragen.

Im Rahmen des Vortrags werden das Vorgehen der Profilentwicklung skizziert, die Grundzüge des Profilkonzeptes vorgestellt und anhand einzelner Module grundlegende Ideen exemplarisch konkretisiert.

Altrichter, H., Posch, P. & Spann, H. (2018). Lehrerinnen und Lehrer erforschen ihren Unterricht. Bad Heilbrunn: Julius Klinghardt.
Bornmüller, F. (2020, 11. Juni). Virtueller Projekttag 'Über KI philosophieren' am 26. Juni 2020“. Denkwerkstatt Schule und Universität zusammen denken. blogs.urz.uni-halle.de/denkwerk-statt/2020/06/virtueller-projekttag-ueber-ki-philosophieren-am-26-juni-2020/ (Abgerufen am 7.12.2023)
Brinda, T., Diethelm, I., Gemulla, R., Romeike, R., Schöning, J., Schulte, C., ... & Zimnol, M. (2016). Dagstuhl-Erklärung: Bildung in der digitalen vernetzten Welt. [Onlinedokument: dagstuhl.gi.de/dagstuhl-erklaerung; aufgerufen am 28.05.2024]
Fichten, W. & Meyer, H. (2006). Kompetenzentwicklung durch Lehrerforschung. Möglichkeiten und Grenzen. In: C. Allemann-Ghionda & E. Terhart (Hrsg.). Kompetenzen und Kompetenzentwicklung von Lehrerinnen und Lehrern (S. 267-282). Weinheim u.a.: Beltz. DOI: 10.25656/01:7382
Fiedler-Ebke, W., & Klewin, G. (2020). Eine besondere Oberstufe. Die immer noch außergewöhnliche Praxis der Versuchsschule nach 45 Jahren – Ein Überblick. WE_OS-Jahrbuch, 3, 98–120. doi.org/10.4119/we_os-3339
Hahn (2008). Wissenschaftspropädeutik: Der „kompetente“ Umgang mit Fachperspektiven“. In J. Keuffer & M. Kublitz-Kramer (Hrsg.). Was braucht die Oberstufe? Diagnose, Förderung und selbständiges Lernen (S. 157-168). Weinheim und Basel: Beltz.
Heinrich, M. & Haghani, A. (2023, 18. Oktober). KI und die Auswirkungen auf das Bildungssystem. Vortragsreihe Professionelles Handeln in der Schule – Einübung des Umgangs mit der Komplexität im Lehrberuf. Universität Bielefeld.
Michaeli, T., Romeike, R., & Seegerer, S. (2022, August). What students can learn about artificial intelligence–recommendations for K-12 computing education. In IFIP World Conference on Computers in Education (S. 196-208). Cham: Springer Nature Switzerland.
Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen (MSB NRW) (2023). Umgang mit text-generierenden KI-Systemen - Ein Handlungsleitfaden. Düsseldorf.
Stalder, F. (2016). Kultur der Digitalität. Berlin: Suhrkamp.
Wienrich, C., Carolus, A., Augustin, Y. & Markus, A. (2022). AI Literacy: Kompetenzdimensionen und Einflussfaktoren im Kontext von Arbeit [Working paper]. KI-Observatorium des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. www.denkfabrikbmas.de/fileadmin/Downloads/Publikationen/AI_Literacy_Kompetenzdimensionen_und_Einflussfaktoren_im_Kontext_von_Arbeit.pdf