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Franciska Nowak "Albert Einstein als Maschine":

Wie Kinder Künstliche Intelligenz wahrnehmen

Abstract:

Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT diskutiert die breite Öffentlichkeit über Künstliche Intelligenz (KI). Medienpädagog*innen rücken die Vermittlung von KI-Kompetenz in den Fokus (Berg et al., 2023), denn auch in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen sind KI-Anwendungen präsent. Kinder fragen Sprachassistenten nach Hilfe bei den Hausaufgaben, nutzen Face-Filter auf Snapchat und sind vertraut mit ChatGPT (mpfs, 2023; Rubegni et al., 2022). Als Schlagwort ist besonders der Begriff KI im gesellschaftlichen Diskurs omnipräsent (CAIS, 2024; Paaß & Hecker, 2020). (Begriffs-)Vorstellungen von KI abzufragen, ist deshalb mit Blick auf gesellschaftliche Teilhabe relevant. Forschung zur Frage, was KIVorstellungen von Kindern prägt, ermöglichen außerdem die Entwicklung von gezielten Maßnahmen zur Kompetenzförderung. Deshalb untersucht die vorliegende Studie, was sich Kinder unter KI vorstellen und was ihre KI-Wahrnehmungen prägt. Wahrnehmungen von KI untersuchen qualitative Forschungsarbeiten bis dato primär in spezifischen Nutzungskontexten und anhand einzelner KI-Systeme. Druga und Ko (2021) halten fest, dass Kinder Roboter als fehlbar, aber hilfreich wahrnehmen, nachdem sie Roboter selbst programmiert haben. Schober et al. (2023) beschreiben, dass Kinder ein Bewusstsein für Personalisierung im Kontext algorithmischer Empfehlungssysteme besitzen, ihre Vorstellungen der Rolle von Daten allerdings vage sind. Die Ergebnisse deuten zwar darauf hin, dass Kinder keine detaillierten Vorstellungen davon haben, wie KI-Technologie funktioniert (ebd.), ebenso ist aber denkbar, dass die Vorstellungen der Kinder abhängig von den ihnen präsentierten KISystemen variieren. Die vorliegende Studie fragt Berührungspunkte und (Begriffs-)Vorstellungen zu KI ab, ohne Definitionen vorzugeben und ermöglicht so eine breite und offene Betrachtung verschiedener Nutzungskontexte und KI-Systeme. Im Winter 2022 wurden je zwei digitale Leitfadeninterviews mit acht Kindern zwischen zehn und zwölf Jahren geführt, die sich in Vorerfahrungen mit KI und Technikbegeisterung unterscheiden. Im ersten Interview sollten die Kinder zunächst Assoziationen mit dem KI-Begriff und folgend mit Bildern lebensweltnaher KI-Anwendungen (Sprachassistenten, Face-Filter, Roboter) nennen. Vor dem zweiten Interview sahen alle Kinder die Science-Fiction-Serie Kaltstart (KiKA), die als Stimulus fungierte, um auch mit Kindern ohne Vorwissen über Nutzungsszenarien, Chancen und Risiken von KI sprechen zu können. Die Auswertung erfolgte deduktiv mittels qualitativer Inhaltsanalyse. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder Erfahrungen aus diversen Kontexten in ihre Vorstellungen von KI integrieren. Insgesamt nehmen sie KI als nützlich wahr und begegnen dieser Technologie mit Faszination und Neugier. Was sie unter KI verstehen, variiert. Sie assoziieren den Begriff KI zu Beginn zunächst mit Robotern und Sprachassistenten, nach der Serienrezeption sind ihre Vorstellungen vielfältiger. Insgesamt verstehen die Kinder jedoch nur in Ansätzen, wie KI-Technologie funktioniert. Sie beschreiben zwar, dass die Anwendungen programmiert sind, haben mehrheitlich aber nur vage Vorstellungen davon, was das bedeutet. Vor allem, dass KI-Anwendungen datengetrieben sind und sich weiterentwickeln können, ist ihnen kaum präsent. Es deutet sich allerdings an, dass Kinder mit Programmiererfahrungen nicht nur mehr Verständnis von Funktionsweisen zeigen, sondern auch aktiver mit möglichen Risiken umgehen. Demnach erscheinen Making und Tinkering als besonders geeignet, um KIKompetenzen zu vermitteln. Gleichzeitig weisen die Ergebnisse auch darauf hin, dass fiktionale Medieninhalte Kinder für Risiken von KI sensibilisieren und zum Nachdenken anregen. Weitere Ergebnisse und Limitationen der Studie werden im Vortrag diskutiert.

 

Literatur

Berg, K., Bogen, C., Brüggen, N., Cousseran, L., Hartung-Griemberg, A., Lauber, A. & Sūna,

L. (2023). Kompetenzen für den digitalen Wandel: Eine altersdifferenzierte und

lebensphasenübergreifende Perspektive. Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik,

23, 1-17.

CAIS – Center for Advanced Internet Studies (2024). MeMo:KI – Medienanalyse. Analyse

der Medienberichterstattung zum Thema Künstliche Intelligenz. www.caisresearch.

de/forschung/memoki/memoki-medienanalyse/

Druga, S., & Ko, A. J. (2021). How do children’s perceptions of machine intelligence change

when training and coding smart programs?. In Proceedings of the 20th Annual ACM

Interaction Design and Children Conference, S. 49-61.

Knaus, T. (2018). Technikkritik und Selbstverantwortung. Plädoyer für ein erweitertes

Medienkritikverständnis. In H. M. Niesyto, Heinz (Hrsg.), Medienkritik im digitalen

Zeitalter, S. 91-107. kopaed.

mpfs (2023). JIM-Studie 2023. Jugend, Information, Medien.

www.mpfs.de/fileadmin/files/Studien/JIM/2022/JIM_2023_web_final_kor.pdf

Paaß, G. & Hecker, D. (2020). Künstliche Intelligenz: Was steckt hinter der Technologie der

Zukunft?. Springer.

Rubegni, E., Malinverni, L., & Yip, J. (2022). “Don't let the robots walk our dogs, but it's ok

for them to do our homework”: children's perceptions, fears, and hopes in social robots.

In Proceedings of the 21st Annual ACM Interaction Design and Children Conference, S.

352-361.

Schober, M., Berg, K., & Brüggen, N. (2023). KI als „Wunscherfüller“? Kompetenzen von

Kindern im Umgang mit algorithmischen Empfehlungssystemen. kopaed.

zenodo.org/records/10171264