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„Ki in der Schule ist wie - keine Ahnung, Bruder“

Rekonstruktion von Ungleichheitsverhältnissen im Sprechen mit und über KI-Metaphern im Bildungskontext

Abstract:
 

Das Aushandeln der Relevanz Künstlicher Intelligenz in Bildungskontexten ist, nicht erst seit der Entwicklung von generativer KI, geprägt durch eine Bildsprache, die versucht, in Rechensystemen stattfindende Operationen greifbar und verstehbar zu machen. So wird in den Diskursbeiträge begleitenden Bebilderungen gerne auf Anthropomorphisierungen zurückgegriffen, also Darstellungen von menschenähnlichen Robotern, oder menschlichen Körper(teilen), die in digitale Netzwerke oder Zahlenreihen verwoben sind. Im Sprechen und Schreiben über eben jene KI wird unter anderem auf Metaphern zurückgegriffen, um die technisch für viele im Detail nicht nachvollziehbaren Handlungsabläufe greifbar zu machen. Solche Metaphern können den Bereichen Intelligenz, Evolution und Spiel zugeordnet werden (Dippel 2019). Doch jenseits von diskursanalytischen Studien (etwa Rehak 2021; Greiling 2023) ist bisher wenig dazu bekannt, wie entsprechende Metaphern im (Bildungs-)Alltag verwendet werden und produktiv für Lernszenarien eingesetzt werden können.

Um mit Lernenden und Lehrenden in Schule und Hochschule ins Gespräch über die Rolle von KI in Bildungskontexten zu kommen, nutzen wir Metaphern in explorativen Zugängen insbesondere im Einstieg in Unterrichtsgespräche und Workshops. Denn durch diesen Zugang werden implizites Wissen (Polanyi 1967), Vorstellungen und Konzepte von angehenden Lehrkräften (Koc 2013, Schmitt 2017, Rau und Kosubski 2019) und diskursive Positionen (Keller 2011) rekonstruierbar. Indem über KI in Form von Metaphern diskutiert wird, werden zugleich Zuschreibungen von Handlungsträgerschaft nachvollziehbar (Kajava/Sawhney 2023). Dass Metaphern hilfreich sind, um die Wahrnehmungen, Kenntnisse und Deutungen von Lernenden zu KI greifbar zu machen, wurde in vorhergehenden Studien bereits gezeigt (Demir/Güraksın 2022; Lim 2024).

Besonders relevant werden artikulierte Metaphern im Kontext von Bildungsungleichheiten und Bildungstechnologien. Welche Ungleichheitsverhältnisse im Bildungskontext werden im Sprechen über Künstliche Intelligenz sichtbar? Wie zeigen sich unterschiedliche Zugänge zu und Verständnisse von KI (in Bildungskontexten) je nach Bildungsniveau? Und welche Implikationen bergen die Analyseergebnisse für die Gestaltung von Bildungspraxis?

Im Zuge eines laufenden Forschungsprojektes [Name anonymisiert] erheben wir entsprechende Metaphern systematisierend, anhand derer mögliche Deutungsangebote rekonstruiert werden. In einer an der Grounded Theory orientierten Analyse werden iterativ offenes Codieren und weitere Erhebungen miteinander verbunden (Charmaz 2010). Der Beitrag berichtet aus der laufenden Forschung und ordnet vorläufige Ergebnisse in den Forschungsstand ein.

Im Beitrag werden exemplarisch metaphorische Muster zur Rolle von KI in Bildungskontexten vorgestellt und diskutiert, die als Deutungsperspektiven der Lernenden verstanden werden können. So zeigen sich im metaphorischen Sprechen über KI Ungleichheitsverhältnisse beispielsweise in Bezug auf 1) die Nutzbarmachung von KI (als Hilfe, Freund, oder Assistent), 2) die Imagination von Technologie (als Roboter, immaterielles Ding oder Maschine), 3) in Bezug auf die Funktionen von KI (als Tool, Technologie oder sozio-technisches System). Auf diese vorläufigen Ergebnisse aufbauend werden Handlungsimplikationen für zukünftige medienpädagogische und kulturwissenschaftliche Forschung im Kontext der Science and Technology Studies ebenso wie konkrete Interventionen diskutiert.

 

Literaturangaben:

Charmaz, Kathy (2010): Grounded Theory as an Emergent Method. In: Hesse-Biber, Sharlene Nagy/Leavy, Patricia (Hg.): Handbook of emergent methods. New York, NY, S. 155–170.

Demir, Kadir/Güraksın, Gür Emre (2022): Determining Middle School Students' Perceptions of the Concept of Artificial Intelligence. A Metaphor Analysis. In: Participatory Educational Research 9/2, S. 297–312.

Dippel, Anne (2019): Metaphors We Live By. Three Commentaries on Artificial Intelligence and the Human Condition. In: Sudmann, Andreas (Hg.): The Democratization of Artificial Intelligence. Net Politics in the Era of Learning Algorithms. Bielefeld, S. 33–42.

Greiling, Leon Corin (2023): Metaphern im multimodalen Kontext. Eine qualitative Untersuchung von Karikaturen zum Thema Künstliche Intelligenz, Heidelberg University Library.

Kajava, Kaisla/Sawhney, Nitin (2023): Language of Algorithms. Agency, Metaphors, and Deliberations in AI Discourses. In: Lindgren, Simon (Hg.): Handbook of Critical Studies of Artificial Intelligence. Cheltenham, UK, S. 224–236.

Keller, Reiner (2011 [2005]): Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden.

Koc, Mustafa. 2013. Student Teachers’ Conceptions of Technology: A Metaphor Analysis. In: Computers & Education 68, 1-8. doi.org/10.1016/j.compedu.2013.04.024.

Lim, Eun Mee (2024): Metaphor analysis on pre-service early childhood teachers’ conception of AI (Artificial Intelligence) education for young children. In: Thinking Skills and Creativity 51, S. 101455. URL: www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1871187123002225.

Lindgren, Simon (Hg.) (2023): Handbook of Critical Studies of Artificial Intelligence. Cheltenham, UK.

Polanyi, Michael (1967): The Tacit Dimension. New York.

Rau, Franco/ Kosubski, Ilaria (2019): „Digitale Medien Sind Wie Pilze“: Eine Analyse Studentischer Metaphern Zu Digitalen Medien. In: MedienPädagogik 36, S. 81-96. doi.org/10.21240/mpaed/36/2019.11.14.X.

Rehak, Rainer (2021): “Action” and Ascription. On Misleading Metaphors in the Debate About Artificial Intelligence and Transhumanism. In: Hofkirchner, Wolfgang (Hg.): Transhumanism. Cham, S. 155–165.

Schmitt, Rudolf (2017): Systematische Metaphernanalyse als Methode der qualitativen Sozialforschung. Görlitz.