Anna-Lena Brown, Patrick Bettinger: Gefühlt und vermessen!?
Ein medienpädagogischer Blick auf Mood-Tracking-Praktiken als Subjektivier-ungsweisen
Abstract:
Self-Tracking stellt einen sich seit mehreren Jahren zunehmend ausdifferenzierenden medienkulturellen Phänomenbereich dar, der in unterschiedlichen Disziplinen auf breites Interesse stößt und auch für die Medienpädagogik von Relevanz ist (vgl. z.B. Klinge 2018). Gegenwär]g erweisen sich insbesondere neue Entwicklungen im Bereich der KI-basierten Systeme als prägend für unterschiedliche Formen der ‚datafizierten Selbstvermessung‘. Bisherige Untersuchungen aus dem Kontext des Self-Tracking deuten auf den ambivalenten Charakter des Phänomens hin: so zeigen sich einerseits Reflexionspotenziale und neue Formen der Vergemeinscha:ung, andererseits aber auch Selbstop]mierungszwänge und Konkurrenzmentalität (Damberger 2019; Kappler, Novi & Vormbusch 2019; Selke 2016). Self-Tracking-Prak]ken sind zudem durchzogen von spezifischen Adressierungsformen, Anrufungsordnungen und norma]ven Appellstrukturen und insofern durch Machkörmigkeit gekennzeichnet, die sich im sozio-medialen Zusammenspiel aus Körpern und digitalen Artefakten enkalten (Wiedemann 2016). Aus einer bildungsbezogenen Perspek]ve gilt es insbesondere Brüche im Kontext der Selbsterfahrung empirisch zu untersuchen (Damberger & Iske 2017, S. 32). Beim Blick auf den Stand der Forschung zu Self-Tracking zeigt sich zudem, dass die Affektdimension einen bislang nur wenig beachteten Aspekt in Forschungsarbeiten zu Sel:racking darstellt – insbesondere was medienpädagogische Perspek]ven anbelangt. Gleichwohl sind Emo]onen ein wesentlicher Bestandteil von Sozialität und müssen hinsichtlich „unterschiedliche[r] Orien]erungen und Grade der Affektualität“ (Reckwitz 2016, S. 166) analysiert werden, um ein Verständnis von Prak]ken zu erlangen. Diesem Desiderat widmet sich das qualita]v-explora]ve Forschungsprojekt „Mood-Tracking als Subjek]vierungsprak]k“, das seit Frühjahr 2024 am Lehrstuhl für Erziehungswissenscha: mit dem Schwerpunkt digitale Medienkulturen an der Ouo-von-Guericke Universität Magdeburg durchgeführt wird. Im Projekt wird untersucht, welche Nutzungsprak]ken sich im Zuge der Verwendung einer Mood-Tracking-App entstehen, wie diese sich enkalten bzw. verändern und inwiefern sich im Zuge dessen Reflexionspotenziale zeigen. Beim Mood- Tracking geht es unter anderem darum, dass „Die Kontextualisierung von Daten aus anderen Lebensbereichen (z.B. Essgewohnheiten, Arbeitsverhalten etc.) mithilfe von Emo]onsmesswerten […] Aufschluss über charakteris]sche Verhaltensmuster geben und somit gezielt Verhaltensänderungen anleiten [könnte]“ (Pritz 2016, S. 128). Im Rahmen der Studie nutzte eine Gruppe von Studierenden für rund drei Monate regelmäßig eine ausgewählte Tracking App, in der die Erfassungen von Tä]gkeiten und S]mmungen im Vordergrund steht. Basis der Studie war neben einer pseudonymisierten ‚Datenspende‘ in Form der App-Einträgen der Proband*innen eine Gruppendiskussion, die im Anschluss an die Phase der App-Nutzung durchgeführt wurde. Die Daten werden derzeit in Anlehnung an den Ansatz der Analyse diskursiver Prak]ken (Wrana 2012; 2015) untersucht, um die „produk]ven Konstruk]onsweisen und Wissensprak]ken, die die Bedingungen von Sagbarkeit und Sichtbarkeit bilden“ (Wrana 2012, S. 196) offen zu legen. Im Fokus stehen figura]ve, prozedurale sowie posi]onale Aspekte (Wrana 2015) der Mood-Tracking-Prak]ken, womit sich Einblicke in die Machkörmigkeit der Prozesse emo]onaler Selbstvermessung eröffnen und die damit verbundenen, neuen Formen der Bedeutungsproduk]on (Duuweiler 2019) erschlossen werden. Im Rahmen des Vortrags stellen wir mit Blick auf die beiden Schwerpunkte „Digitale Kultur und Digitalität“ sowie „Datafizierung und Medienpädagogik“ ausgewählte forschungsprak]sche Überlegungen und Ergebnisse unserer Studie vor.
Literatur
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