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Prof. Dr. phil. habil. Jochen A. Bär

Germanistische Sprachwissenschaft

Lehrveranstaltungen: Literaturwissenschaft

Literatur und Recht

Gegenstand: Recht ist nicht nur „das, womit sich Juristinnen und Juristen beschäftigen“, sondern zugleich auch einer der zentralen Gegenstandsbereiche für alle, die sich mit Kultur- und Geistesgeschichte befassen. Wie stark Rechtsbegriffe das kollektive Bewusstsein einer Kulturgemeinschaft prägen, zeigt ein Blick in den Sprichwort- und Redensartenschatz: Rechtsformeln wie „Kind und Kegel“ oder „gang und gäbe“ sind ebenso in die Idiomatik eingegangen wie Bezeichnungen bestimmter (heute zumeist rein historischer) Rechtshandlungen, z. B. „jemanden an den Pranger stellen“, „jemanden auf die Folter spannen“, „über jemanden den Stab brechen“ oder „für jemanden die Hand ins Feuer legen“. — Eine wichtige Rolle spielt das Recht auch in Literatur und Dichtung. Dabei begreift das Thema „Literatur und Recht“ nach unserem Verständnis (mindestens) zwei völlig unterschiedliche Dimensionen: zum einen die Frage, wie „Recht“ als Gegenstand literarischer Behandlung erscheint, zum anderen die Frage, ob Juristen als literarische Autoren gegenüber Nichtjuristen bestimmte Spezifika aufweisen. — „Recht“ als Gegenstand literarischer Darstellung ist vielseitig und kann selbstverständlich nur exemplarisch behandelt werden. In Rede stehen u. a. Recht, Gerechtigkeit, Rechtsprechung, Strafe, Vergeltung, die jeweils anhand ausgewählter Texte fokussiert werden sollen. Es geht uns dabei zugleich um die Exemplifikation verschiedener Methoden der Literaturinterpretation, beispielsweise den kulturhistorisch orientierten und den historisch-semantischen Interpretationsansatz. — Die Frage, ob Juristen besonders, d. h. anders schreiben als Nichtjuristen wird einerseits theoretisch-methodologisch, will sagen: hinsichtlich der Bedingungen der Möglichkeit ihrer Beantwortung, andererseits praktisch-empirisch, also wiederum anhand ausgewählter Beispiele, zu betrachten sein. — Die Veranstaltung richtet sich in erster Linie an Studierende der Rechtswissenschaft, der Philologien, der Philosophie und der Geschichts- und Sozialwissenschaften, darüber hinaus an alle Interessierten, die bereit sind, sich in literaturwissenschaftliche und juristische Methoden und Denkweisen einzuarbeiten. Grundkenntnisse der europäischen Kulturgeschichte sowie zumindest der deutschen und der englischen Literaturgeschichte werden vorausgesetzt.

Literatur: Folgende Primärtexte sind in einer beliebigen Ausgabe (Droste-Hülshoff z. B. bei Reclam) vorab zu lesen:

  • Hermeneutik1/2. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Georg Braungart, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt und Klaus Weimar hrsg. v. Harald Fricke. Bd. 2. Berlin/New York 2000, 25–31.
  • Kontext. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Georg Braungart, Klaus Grubmüller, Jan-Dirk Müller, Friedrich Vollhardt und Klaus Weimar hrsg. v. Harald Fricke. Bd. 2. Berlin/New York 2000, 333–337.
  • Pastor, Eckart: „Du bist hier Partei!“ Theodor Storms Novelle „Draußen im Heidedorf“ und ihre Erzähler. In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 44 (1995), 23–40.
  • Posner, Richard A.: The Reflection of Law in Literature. In: ders.: Law and Literature. Harvard 1998, 11–48.
  • Recht. In: Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Hrsg. v. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bd. XI, Heft 1/2: Rat – Rechtbesitzer. Weimar 2003, 261–302.
  • Recht, Gerechtigkeit. In: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hrsg. v. Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck. Bd. 5. Stuttgart 1984, 231–311.
  • Recht. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Bd. 24. Berlin/New York 2003, 209–224.
  • Rölleke, Heinz: Annette von Droste-Hülshoff: Die Judenbuche. Bad Homburg v. d. H./Berlin/Zürich 1970. (Com­mentatio 1.)
  • Segeberg, Harro: Theodor Storm als „Dichter-Jurist“. Zum Verhältnis von juristischer, moralischer und poetischer Gerechtigkeit in den Erzählungen „Draußen im Heidedorf“ und „Ein Doppelgänger“. In: Schriften der Theodor-Storm-Gesellschaft 41 (1992), 69–82.
  • Sternthal, B.: Juristen als Schriftsteller. Porträts dichtender Rechtsgelehrter. Wien 2006.
  • Werkimmanente Interpretation. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte. Gemeinsam mit Georg Braungart, Harald Fricke, Klaus Grubmüller, Friedrich Vollhardt und Klaus Weimar hrsg. v. Jan-Dirk Müller. Bd. 3. Berlin/New York 2003, 834–837.
  • Wohlhaupter, E. (Hrsg.): Dichterjuristen. 3 Bde. Tübingen 1953; 1955; 1957.

Veranstaltet im:

  • SoSe 2008: Arbeitsgruppe (Sommerakademie der Studienstiftung des deutschen Volkes)