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Germanistische Sprachwissenschaft

Wissenschaftstransfer – Öffentlichkeitsaktivitäten

Sprachauskunft und Sprachberatung: Grammatik

Frage: Als linguistisch interessierter Mensch würde mich interessieren, wie folgender Sachverhalt konkret zu deuten ist. Sätze wie Als Kind hatte ich schon einen eigenen Fernseher oder Mit 15 wollte Sven Rockstar werden liegen infolge der Konstruktion als + ... und mit + ... in verkürzter Form vor. Was mich interessieren würde: Erstens: Wie sind in diesem Kontext die Wörter als und mit linguistisch zu betiteln? Handelt es sich in diesem Kontext immer noch um eine Konjunktion und Präposition? Und zweitens: Mit benötigt hier definitiv den Dativ als Kasus. Gehe ich recht in der Annahme, dass als hierbei den Nominativ benötigt?

Antwort: Die Thematik, die Sie ansprechen, ist einigermaßen komplex. Nach herkömmlicher Schulgrammatik liegt in der Tat bei als eine Konjunktion (genauer: eine Subjunktion) und bei mit eine Präposition vor. Die beiden unterscheiden sich grammatisch dadurch, dass mit den Dativ erfordert, wohingegen als keinen Kasus regiert. Es erfordert also auch nicht notwendig den Nominativ, sondern der Kasus hängt davon ab, wie der Satz insgesamt strukturiert ist. Prinzipiell handelt es sich bei als + Substantivgruppe um ein Prädikativum, das vom Kasus seiner Bezugsgröße abhängt. In Sätzen wie

  • Als Kind hatte ich schon einen eigenen Fernseher oder
  • Philipp arbeitet als Versicherungsvertreter

hängt Kind bzw. Versicherungsvertreter von ich bzw. Philipp ab und steht im selben Kasus, nämlich im Nominativ (da ich bzw. Philipp das Subjekt des Satzes ist und also eben im Nominativ steht). Hingegen hängt in Sätzen wie

  • Ich werte das als Geständnis oder
  • Behandle doch deinen Sohn nicht immer als kompletten Vollidioten

der Kasus von Geständnis bzw. kompletten Vollidioten von das bzw. deinen Sohn ab, die jeweils Akkusativobjekte sind.

Also: nicht als regiert den Kasus, sondern die Bezugsgröße des Prädikativs.

Im Übrigen liegen die Sätze, die Sie als Beispiele genannt haben, nicht in verkürzter Form vor, sondern sind vollständig und normgerecht. Sie denken vermutlich daran, dass man statt Als Kind hatte ich schon einen eigenen Fernseher auch sagen könnte: Als ich ein Kind war, hatte ich schon einen eigenen Fernseher. Dabei liegt aber eine andere Konstruktion vor, denn der Nebensatz als ich ein Kind war verhält sich zum Hauptsatz nicht als Prädikativ, sondern als temporales Adverbial („Umstandsbestimmung der Zeit“: er antwortet auf die Frage „wann?“). Als Kind hingegen antwortet nicht auf die Frage „wann?“, sondern auf die Frage „als wer/was?“; es erscheint als klassifikatives Prädikativum. Die beiden Beispiele sind also zwar weitestgehend in ihrer Bedeutung, nicht aber grammatisch äquivalent; das eine kann nicht als Verkürzung des anderen interpretiert werden.

Frage: Wir haben einen Artist-in-Residence-Kulturpreis gestiftet. Das erste Stipendium geht an eine Frau. Wie wäre die korrekte Bezeichnung für die Preisträgerin: der oder die erste Artist in Residence?

Antwort: Anders als bei dem älteren, aus dem Französischen entlehnten Wort Artist (›Zirkus- oder Varietékünstler‹, mit kurzer erster Silbe und Betonung auf der zweiten Silbe), zu dem es die weibliche Form Artistin gibt, stammt das Wort Artist, nach dem Sie fragen, aus dem Englischen und wird auch englisch ausgesprochen (mit langer und betonter erster Silbe). Da es im Englischen kein substantivisches Genus gibt, unterscheidet man auch nicht zwischen einer maskulinen und einer femininen Form. Artist kann im Englischen beides sein, maskulin (He is an artist) und feminin (She is an artist); das Pronomen (he oder she) richtet sich jeweils nach dem biologischen Geschlecht der Person, auf die das Wort artist konkret angewendet wird.

Im Deutschen kann man genau so verfahren: Man kann den Artist in Residence und die Artist in Residence unterscheiden. Aus der Tatsache, dass man zu dem im Deutschen verwendeten englischen Wort artist keine feminine Form auf -in bilden kann, abzuleiten, dass das Wort nur als Maskulinum existiere, wäre jedenfalls nicht nachvollziehbar.

Frage: Kann das Verb berichten in folgender Form gebraucht werden: „Als Folge dieser Entwicklung werden in Deutschland vermehrt Campylobacter-Infektionen und Infektionen durch EHEC berichtet.“?
Antwort: Das Verb berichten kann zwar transitiv gebraucht werden (ich berichte etwas), das Akkusativobjekt darf aber nie ein Substantiv sein (falsch: *ich berichte eine Sache, richtig: ich berichte über eine Sache oder von einer Sache). Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem von Ihnen zitierten Satz um einen versteckten Anglizismus handelt: um eine Bildung analog zu dem englischen Verb to report, das in transitivem Gebrauch auch Substantive als Akkusativobjekte haben kann. Der von Ihnen zitierte Satz sollte also lauten: „Als Folge dieser Entwicklung wird in Deutschland vermehrt über / von Campylobacter-Infektionen und Infektionen durch EHEC berichtet.“
Frage: Wie muss es in dem Satz „Bei Jungvögeln dauert es bis zu 12 Monate, bevor sie flügge werden“ heißen: „bis zu 12 Monate“ oder „bis zu 12 Monaten“?
Antwort: Als „Faustregel“ kann gelten: Wenn bis zu in einem Satz weggelassen werden kann, ohne dass der Satz grammatisch falsch wird (dass er seinen Sinn verändert, spielt dabei keine Rolle), so steht nach bis zu der Akkusativ: „Das Präsidium umfasst [bis zu] 8 Mitglieder“ oder „Bei Jungvögeln dauert es [bis zu] 12 Monate, bevor sie flügge werden“. In solchen Fällen ist bis zu ein Modaladverb, welches das Verb (umfassen; dauern) näher bestimmt. – Wenn bis zu nicht weggelassen werden kann, ohne dass der Satz grammatisch falsch bzw. unsinnig wird, steht nach bis zu der Dativ: „Kinder [bis zu] 12 Jahren zahlen die Hälfte“ oder „Größere Gemeinden [bis zu] 15000 Einwohnern gelten als Kleinstädte“. Man müsste hier die gesamte Zeit- oder Mengenangabe weglassen, damit der Satz grammatisch korrekt bleibt: „Kinder [bis zu 12 Jahren] zahlen die Hälfte“ bzw. „Größere Gemeinden [bis zu 15000 Einwohnern] gelten als Kleinstädte“. In solchen Fällen gehört die Wendung bis zu zu einem attributiven Präpositionalgefüge (bis zu 12 Jahren; bis zu 15000 Einwohnern), welches das Substantiv (Kind; Gemeinde) näher bestimmt, und die Flexion innerhalb des Präpositionalgefüges richtet sich nach der Präposition zu (die eben den Dativ erfordert).
Frage: Kürzlich wurde ich für den Satz Ich habe meinem Bruder sein Auto gewaschen im Freundeskreis ausgelacht: Das sei schlechtes Deutsch. Was meinen Sie dazu?
Antwort: In der Tat gilt der Ersatz eines Genitivs (Karls Haus) durch einen Dativ mit Possessivartikel (dem Karl sein Haus) als regional- bzw. umgangssprachlich. Allerdings ist in Ihrem Beispiel nicht eindeutig klar, ob hier wirklich ein solcher Ersatz gemeint ist oder ob Sie nicht vielmehr einen Dativ des Vorteils (Dativus commodi) im Sinn hatten. In diesem Kasus steht die Person oder Sache, zu deren Gunsten etwas getan wird, und in leichter Umformulierung könnte Ihr Satz dann lauten: Ich habe für meinen Bruder sein Auto gewaschen oder, um beim Dativ zu bleiben: Ich habe meinem Bruder das / dessen Auto gewaschen. Der Dativus commodi in dieser Form ist ohne weiteres auch in Verbindung mit einem Possessivartikel möglich (belegt z. B. bei Heinrich Jung-Stilling: „Schmerz hatte Stilling seine Urne erleuchtet“). Da er aber heutzutage leicht mit dem zuvor erwähnten Genitiversatz in Zusammenhang gebracht wird, wirkt er auffällig, und seine Verwendung kann zu Reaktionen wie den von Ihnen geschilderten führen.
Frage: Eine Bekannte von mir hat behauptet, das Wort Eltern gebe es auch in der Einzahl. Stimmt das? Ich kenne nur den oder das Elternteil.

Antwort: Im zehnbändigen Duden ebenso wie im sechsbändigen Brockhaus-Wahrig sucht man den Singular von Eltern in der Tat vergebens: Das Wort hat diesen Wörterbüchern zufolge nur eine Pluralform. Es gibt mehrere solcher Ausdrücke, beispielsweise Leute, Kosten und Ferien; die Sprachwissenschaft nennt sie Pluraliatantum (›nur im Plural vorkommende Wörter‹). Ebenso kennt man auch Singulariatantum (›nur im Singular vorkommende Wörter‹), z. B. Milch, Wasser und Sand.

Allerdings finden sich in bestimmten Fällen bei Singulariatantum bisweilen doch Pluralformen: Wässer (›Arten von Wasser‹) und Sände (›Sandsorten‹) sind fachsprachliche Ausdrücke. Ebenso ist es nun – umgekehrt – auch mit Elter. In der Fachsprache der Genetik steht es für ein Mitglied der Parentalgeneration, das hinsichtlich des Geschlechts nicht näher bestimmt oder (bei zwittrigen Lebewesen) nicht näher bestimmbar ist. Analog dazu gibt es sogar die Wortbildung Großelter, beispielsweise in folgendem Beleg: „Nach der gleichen Methode erzeugten sie noch Klone der zweiten und dritten Generation, also Mäuse mit der gleichen genetischen Ausstattung wie ihr Elter und Großelter“ (spektrumdirekt, 28. 07. 1998). – Dem unter Leitung von Wolfgang Pfeifer erarbeiteten Etymologischen Wörterbuch des Deutschen (1. Aufl. 1989, Bd. 1, S. 352) ist zu entnehmen, dass der fachsprachliche Singular der/das Elter bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts vorkommt.

Im Rahmen von Bemühungen um politische Korrektheit hält die Form Elter mittlerweile auch Einzug in die Allgemeinsprache. Da in der modernen Gesellschaft unter anderem auch gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften Familien mit Kindern sein können (so genannte Regenbogenfamilien), werden die Wörter Vater und Mutter gegebenenfalls als unangemessen oder sogar als diskriminierend empfunden. Die Schweizer Bundesregierung hat daher 2010 in einem für amtliche Texte verbindlichen Sprachleitfaden festgelegt, dass statt Vater oder Mutter künftig nur noch der Elternteil oder das Elter geschrieben werden soll.

Doch man muss keineswegs nur an alternative Lebensentwürfe denken. Bereits 2003 hat die Gesellschaft für deutsche Sprache eine Preisaufgabe ausgelobt, bei der nach einer Bezeichnung für das einzelne Elternteil gefragt wurde. Die Mehrzahl der Einsenderinnen und Einsender plädierte für Elter. Der Sänger Roger Cicero beschrieb seine Lebenssituation nach der Geburt seines Sohnes mit den Worten: „Da macht es bumms! – und auf einmal bist du Elter und das normale Leben hört erstmal auf.“ (Braunschweiger Zeitung, 26. 9. 2009.) — Dass es das/der Elter gibt, weiß übrigens auch die 24. Auflage des Rechtschreib-Dudens (erschienen 2006), der damit aktueller ist als das zuvor erwähnte zehnbändige Wörterbuch desselben Verlags.

Kurzum: Der Singular von Eltern findet hier und da durchaus Verwendung. Ob und wann er allerdings in der Allgemeinsprache vollends „ankommt“, lässt sich derzeit nicht sagen. In den maschinenlesbaren Textkorpora des Mannheimer Instituts für Deutsche Sprache findet sich für Elter jedenfalls nur eine Handvoll Belege (hauptsächlich handelt es sich um Eigennamen und Verschreibungen für den Plural Eltern); das Wort Elternteil hingegen ist weit über 7000-mal dokumentiert. So ganz hat Sie also Ihr Sprachgefühl doch nicht getrogen.

Frage: Wie lautet der Plural von Imbus? (Sie wissen schon, das sind diese sechskantigen schraubenzieherähnlichen Werkzeuge.) Ist Imben korrekt? Oder Imbi? Oder etwa gar Imbus mit langem u, analog zu Status? In meinem Wörterbuch suche ich das Wort vergeblich.

Antwort: Dass Sie das Wort in Ihrem Wörterbuch nicht finden, könnte durchaus am Wörterbuch liegen – je nachdem, in welchem Sie nachgeschlagen haben. Allerdings haben Sie auch an der falschen Stelle gesucht. Wenngleich nämlich die Aussprache Imbus (mit Assimilations-m) völlig üblich ist: Die korrekte Schreibung wäre Inbus (mit n).

Damit eine der beiden Formen Inbi und Inbus mit langem u in Frage kommen könnte, müsste das Wort aus dem Lateinischen kommen. Es handelt sich freilich keineswegs um ein Fremdwort, sondern um ein Kurzwort, bestehend aus Bestandteilen anderer Wörter – eine Art Akronym gewissermaßen. Dem zehnbändigen Duden-Wörterbuch zufolge ist Inbus gebildet aus Innensechskantschlüssel der Firma Bauer und Schaurte.

Genau genommen findet sich im Duden nur der Inbusschlüssel; das Kurzwort Inbus als solches ist aber zweifellos jedem Handwerker geläufig. Den Plural dieses Kurzwortes wird man am sinnvollsten in Analogie zu anderen Wörtern auf -bus bilden, die nicht nach lateinischem Muster dekliniert werden. Insbesondere ist an Omnibus zu denken. Auch wenn hier durchaus lateinische Herkunft vorliegt, ist omnibus im Lateinischen ja kein Substantiv, sondern eine Dativ-Plural-Form von omnis; es bedeutet ›für alle‹. Zum Substantiv wird Omnibus erst im Deutschen, und damit bildet es dann folgerichtig einen deutschen Plural, nämlich Omnibusse. Entsprechend kann man bei Inbus verfahren: als einwandfreie Pluralform wird sicherlich Inbusse gelten können.

Frage: Die König-Brauerei wirbt in allen Medien mit dem Slogan: „König Pilsner, das König der Biere.“ Diese unmögliche grammatische Konstruktion tut nicht nur weh, sondern sie stellt einen Tiefschlag gegen die deutsche Sprache dar. Bitte teilen Sie mir mit, was Sie davon halten, wie so etwas erklärbar ist und warum es von den Medien überhaupt angenommen wird.
Antwort:Das König-Pilsener [Bier] ist in der Tat sächlich. Auch im Fall der Ellipse (Auslassung, Verkürzung), bleibt es sächlich. Eine solche Ellipse ist gerade bei Biersorten ganz üblich: Bitte ein Bit / Henninger / Warsteiner / Schmucker / König. Das Bestimmungswort König- ist hier ja auch gar kein Wort im engeren Sinne (Nomen appellativum), sondern ein Eigenname (Nomen proprium), genauer gesagt: ein Markenname, der auf einen Familiennamen zurückgeht (die König-Brauerei ist bis heute in Familienbesitz). Das ist aber noch längst nicht alles, was man zu „das König der Biere“ bemerken kann. Seit der Antike gibt es so genannte Lizenzen, also in bestimmten Redesituationen und Textsorten erlaubte Abweichungen von der Regelgrammatik. Der „Pfiff“ der Werbesprache liegt eben in einer solchen bewussten Abweichung. Das Stilmittel, durch das in dem von Ihnen genannten Beispiel die Abweichung zu Stande kommt, ist eine Verschränkung zweier Sätze oder Satzglieder. Das Wort König in Redewendungen wie der König der Lüfte / der Modefotografen / des Eisschnellaufs ist natürlich männlich; hier handelt es sich tatsächlich um ein Nomen appellativum in der Bedeutung ›der Erste, der Beste‹. Also eigentlich auch: der König der Biere. Die Verschränkung besteht darin, dass das Wort König in einem und demselben Satz bewusst in doppelter Hinsicht verwendet wird: als Nomen proprium in der Verkürzung aus König-Pilsener Bier (daher das) und als Nomen appellativum (Bestandteil der redensartlichen Fügung König + Genitiv, die der erwarten lässt). Durch die entstehende harte Fügung gelingt es den Werbetextern nicht nur, die Aufmerksamkeit auf das „Gerstenkaltgetränk“ zu richten, sondern zugleich, den Leser oder Hörer wohlwollend zu stimmen. Denn der nimmt natürlich sofort Anstoß an dem nicht gebräuchlichen grammatischen Geschlecht das König, merkt aber schon nach kurzem Nachdenken, dass nicht ein plumper Fehler vorliegt, sondern eine rhetorische Raffinesse. Es kommt mit dieser Einsicht zu einer „Komplizenschaft zwischen Formulierer und Rezipient“, wie der „König der Rhetorikforschung“, Heinrich Lausberg, das einmal genannt hat. Der Rezipient freut sich, dass er so schlau ist, wie ihn der Formulierer eingeschätzt hat. Aber selbst wenn er dies nicht tut – „man merkt die Absicht und ist verstimmt“ (Goethe) – und sich nur ärgert: Das Produkt bleibt im Gedächtnis; man beschäftigt sich gedanklich damit, tritt sogar mit einem Sprachberater in Kontakt und widmet dem Ganzen eine Aufmerksamkeit, von der jeder Werbetexter träumen könnte. Der Slogan hat also offensichtlich seine Absicht genau erreicht, und ich halte ihn unter diesem Aspekt für sehr gelungen. – Einer Lizenz übrigens – wiewohl nicht auf grammatischem, sondern auf semantischem Gebiet – haben Sie sich selbst bei Ihrer Formulierung „Tiefschlag gegen die deutsche Sprache“ bedient. Platt argumentiert handelt es sich dabei um eine sprachlogisch unmögliche Konstruktion, denn die deutsche Sprache ist keine Person, hat also auch keine Stelle, an der man sie durch einen Tiefschlag treffen könnte. Rhetorisch gesehen liegt hier aber eine Metapher vor, also der Vergleich zweier Größen hinsichtlich einer gemeinsamen dritten Größe (in diesem Fall: der Regelverletzung). Meine Empfehlung: Freuen Sie sich an der Kreativität der deutschen Sprache, die Sie sich ja offenbar selbst gern zunutze machen. Gezielte Regelverstöße können ebenso das Salz der Sprache sein wie gekonnt eingesetzte Disharmonien die Würze der Musik.
Frage: Kann man den Satz Das Gerät vier Minuten laufen lassen ins Passiv setzen, oder hat nicht die Konstruktion mit lassen schon einen passivischen Sinn?
Antwort:Das Gerät vier Minuten laufen lassen ist gar kein Satz, sondern ein erweiterter Infinitiv. Diesen kann man in der Tat nicht ins Passiv setzen. Nimmt man allerdings eine flektierte Verbform an (z. B. Ich lasse das Gerät vier Minuten laufen), so kann man nach den allgemeinen Möglichkeiten der Passivkonstruktion verfahren (das Akkusativobjekt des Aktivsatzes wird zum Subjekt des Passivsatzes, während das Subjekt des Aktivsatzes im Passivsatz entweder wegfällt oder als Präpositionalobjekt im Dativ erscheint) und erhält einen korrekten Satz, auch wenn er wenig elegant klingt: Das Gerät wird (von mir) vier Minuten laufen gelassen. Für die Grammatik spielt es keine Rolle, dass das Gerät dabei – logisch gesehen – passiv ist (da es sich eben nicht von selbst entscheidet zu laufen, sondern sein Laufen von außen initiiert wird). Denn Gerät ist nicht Subjekt des Aktivsatzes, und das Prädikat ist auch nicht laufen, sondern lassen; dies (etwas machen, bewirken, veranlassen) ist die Tätigkeit (Aktion), die zum Ausdruck gebracht werden soll, und dieses Machen, Bewirken, Veranlassen ist es auch, was dem Gerät im Passivsatz „widerfährt“.
Frage: Ich wohne in einer Stadt auf der linken Seite der Elbe. Ist das nun eine „linkselbige“ oder eine „linkselbische“ Stadt?
Antwort: Die einschlägigen Wörterbücher lassen uns hier auf den ersten Blick im Stich – auch wenn wir unter dem Grundwort suchen. Ein Adjektiv elbig ist nirgends zu finden. Unter elbisch geben das zehnbändige Große Wörterbuch der deutschen Sprache der Dudenredaktion und der sechsbändige Brockhaus-Wahrig lediglich die Bedeutung ›geisterhaft, überirdisch‹ bzw. ›elfisch‹ an. Das ist aber natürlich nicht das Adjektiv zu dem Flussnamen Elbe, sondern zu Elb (›Naturgeist der nordischen Mythologie‹). Erst eine erweiterte Suche führt zum Erfolg. Das vermisste Grundwort steckt in der Wortbildung ostelbisch, die in beiden Wörterbüchern verzeichnet ist. Das lässt auf -isch schließen. Unabhängig davon kann man sich übrigens ebenfalls nach dem Prinzip der Analogie helfen. Adjektive zu Flussnamen – auch solche zu Landschafts- und Ortsnamen – werden gewöhnlich mit -isch gebildet (rheinisch, donauisch, schwäbisch, pfälzisch, hallisch, berlinisch usw.). Auch deshalb sollte es (links)elbisch heißen.
Frage: Kürzlich las ich irgendwo, dass jemand seine „Morgende“ gern im Bett verbringt. Ich dachte bislang immer, dass der Plural von Morgen ebenfalls Morgen lautet. Liege ich da falsch?

Antwort: Nein, Sie liegen prinzipiell richtig, zumindest, was die deutsche Standardsprache angeht. Im Band 9 der 12-bändigen Dudenreihe („Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, 5. Aufl., Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2001, S. 605) steht lapidar: „Der Plural von Morgen heißt die Morgen (nicht die Morgende)“.

Dem ließe sich das eine oder andere hinzufügen. Dass der Plural von Morgen mit dem Nominativ Singular identisch ist, liest man bereits im vierbändigen Grammatisch-kritischen Wörterbuch der hochdeutschen Mundart von Johann Christoph Adelung (2. Aufl., Bd. 3, Leipzig 1798, Sp. 285): „Der Morgen, des -s, plur. ut nom. sing. [Plural wie Nominativ Singular]“ Der Plural Morgende ist in den uns zur Verfügung stehenden Quellen überhaupt nur zweimal greifbar: beide Male bei Goethe (aus den Jahren 1786 und 1828), der jeweils die Konstruktion Morgende und Abende verwendet. Hieran lässt sich eine mögliche Motivation für die auffällige Pluralform erkennen: die Parallelität und (vermeintliche) Analogie zu Abend, dessen Plural ja korrekt die Abende lautet. Eine weitere Motivation liegt möglicherweise in dem Bedürfnis, eine sich vom Singular erkennbar unterscheidende Pluralform zu haben – eine sprachliche Entwicklungstendenz, die seit der frühen Neuzeit erkennbar ist und die linguistisch als „Numerusprofilierung“ bezeichnet wird.

Die Form Morgende ist bis heute selten. In den elektronisch lesbaren Textsammlungen des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache finden sich knapp 300.000 Belege für das Substantiv Morgen, aber nicht einmal dreißig für Morgende. Man wird also allein schon aufgrund der Häufigkeit der Aussage des Dudenwörterbuchs zustimmen können: Morgende ist schriftsprachlich nicht normgerecht.

Frage: Mein Kunde, für den ich einen Text übersetze, will eine Veröffentlichung seines Unternehmens unbedingt Newsletter nennen. Heißt es der, die oder das Newsletter?
Antwort: Wie bei den meisten Wörtern, die wir aus dem Englischen übernehmen, ist das grammatische Geschlecht nicht von vornherein klar. Es gibt aber Regeln, nach denen wir den Anglizismen im Deutschen ein Genus verleihen können. Hier kommen zwei in Frage: Entweder suchen wir die Übersetzung und übernehmen das Geschlecht des entsprechenden deutschen Wortes, oder wir berücksichtigen die Etymologie und fragen nach dem Geschlecht in der ursprünglichen Sprache. Bei Anwendung der ersten Regel müsste es der Newsletter heißen: englisch. letter entspricht deutsch (der) Brief. Diese Meinung vertritt das Anglizismen-Wörterbuch von Carstensen/Busse, Bd. 2 (1994), S. 952, ohne allerdings Belege dafür zu haben. – Bei Anwendung der zweiten Regel wäre es die Newsletter: engl. letter kommt von lat. littera (f.). Zusätzlich gestützt würde die Newsletter durch die Analogie zu die Letter ›Buchstabe, Drucktype‹. – Unserer Meinung nach sind (analog zu anderen Fremdwörtern, die zwei Genera haben können, z. B. der / das Primat) beide Möglichkeiten vertretbar; für beide sind uns Hörbelege in Erinnerung.
Frage: Wenn ich schon älter als 14 Jahre bin und meine etwas, das immer noch der Fall ist – sage ich dann seit ich 14 war oder seit ich 14 bin?

Antwort: Die Konjunktion seit bezeichnet im Deutschen einen Zeitpunkt in der Vergangenheit, an dem ein zum Zeitpunkt des Sprechens noch andauernder Zeitraum begonnen hat. Die Kombination des Verbs sein mit einer Angabe des Lebensjahrs (in Ihrem Beispiel: 14 sein) bezeichnet dagegen keinen Zeitpunkt, sondern einen Zeitraum: das ganze Jahr, in dem jemand das genannte Alter hat. Die semantischen Aspekte des Zeitpunkts und der zeitlichen Dauer dürfen nicht kollidieren. Dies wäre in der Formulierung seit ich 14 war der Fall: Mit ich war 14 würde ein Zeitraum (das Jahr, in dem die sprechende Person das 14., aber noch nicht das 15. Lebensjahr hinter sich hatte) als Beginn eines Zeitraums (seit) genannt. Mit der Formulierung seit ich 14 bin ist hingegen zwar ein Zeitpunkt gemeint (der Tag, an dem die sprechende Person 14 wurde), da sie als Ellipse (Auslassung) zu deuten ist und vollständig so lauten würde: seit ich 14 geworden bin. Das Präsens von 14 sein kann aber nur verwendet werden, solange das Alter tatsächlich zutreffend ist, also nur so lange, wie die sprechende Person noch nicht 15 ist. – Soll das ausgedrückt werden, was Sie angegeben haben (etwas gilt seit dem Tag, an dem jemand, der inzwischen älter ist, 14 Jahre alt wurde), so empfiehlt sich statt der Vergangenheitsform von sein die Vergangenheitsform von werden. Damit wird der Beginn, nicht die Dauer eines Zeitraums bezeichnet, so wie es zu seit semantisch passt. Die Formulierung sollte also lauten: Seit ich 14 wurde.

Frage: Heißt es „das Protokoll der Sitzung vom 4. September“ oder „das Protokoll der Sitzung am 4. September“?
Antwort: Beides ist möglich. Von der Sprachlogik her wäre am richtig, denn man sagt ja auch: „die Sitzung findet am 4. September statt“. Die Variante mit vom ist aber (wohl in Analogie zu der gängigen Wendung „Ihr Schreiben vom ...“, wo vom logisch korrekt ist) offensichtlich so üblich, dass sie nicht als falsch empfunden wird.
Frage: Heute (20. 2. 2013) sprach im ZDF-Morgenmagazin die Moderatorin Dunja Hayali von „Skandälen“. Das ist aber falsch, oder?

Antwort: Grammatisch korrekt ist in der Tat der Plural Skandale. Frau Hayali ist allerdings nicht die Einzige, die – vermutlich in Analogie zu Choräle oder Kanäle – einen Umlaut-Plural von Skandal verwendet. Im Internet finden sich über 2500 Belege dafür. [Zeitpunkt der Recherche: Februar 2013.] Dass es sich hier nicht um einen allgemeinen sprachlichen Wandel, sondern um individuelle Sprachfehler handelt, lässt sich daran erkennen, dass dieselbe Recherche knapp acht Millionen Belege für Skandale ergibt: Der Umlaut-Plural wird also nur in etwa 0,03 Prozent aller Fälle gebraucht. Bei solchen Verhältnissen kann von Sprachwandel keine Rede sein.

Mit dem Plural von Wörtern auf -al ist es nicht ganz einfach. Dies zeigt die Tatsache, dass es neben den genannten Beispielen Choral und Kanal, bei denen der Umlaut korrekt ist, und Wörtern wie Futteral oder eben Skandal, bei denen er nicht korrekt ist, einige Fälle gibt, die beide Möglichkeiten kennen: so Admiral (Admirale/Admiräle) und General (Generale/Generäle).

Frage: Stimmt es, dass im Deutschen immer eine betonte und eine unbetonte Silbe einander abwechseln?

Antwort: Durchaus nicht; vor allem bei zusammengesetzten Wörtern folgen oft zwei betonte Silben aufeinander, so dass man beim Sprechen eine geringfügige Pause machen muss. Das betont dann zugleich die Wortfuge: Wórt|fùge. Für die deutsche Lyrik ist es übrigens ein Glück, denn sonst würden die Verse entsetzlich klappern. Außerdem kann durch solche unmittelbar aufeinanderfolgenden betonten Silben, wenn sie sich gegen das Versmaß stemmen, ein Mehr an Sinn entstehen. Denken Sie an das bekannte Gedicht Septembermorgen von Eduard Mörike:

„Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
In warmem Golde fließen.“

Das Versmaß ist der Jambus; jede Zeile beginnt mit einer unbetonten Silbe, der eine betonte folgt. Einzige Ausnahme: Herbstkräftig (Zeile 5). Welche Kraft gewinnt der Herbst des Gedichts durch diese Betonung! – zumal bereits im nächsten Silbenpaar der ruhig fließende Jambus (und damit das Stille, Gedämpfte der Stimmung) wieder zu seinem Recht kommt.

Frage: Bitte nennen Sie mir die grammatische Regel für den Gebrauch von Worte bzw. Wörter.
Antwort: Grammatisch gesehen handelt es sich um zwei verschiedene Pluralbildungen – Wörter ist stark, Worte ist schwach flektiert –, die semantisch (also hinsichtlich der Bedeutung) unterschiedliche Funktionen haben. Das Wort Wort hat im Deutschen mindestens zwei Bedeutungen: 1. ›kleinste selbständige sprachliche Einheit von Lautung und Inhalt bzw. Bedeutung‹; 2. ›etwas, was man als Ausdruck seiner Gedanken, Gefühle o. Ä. zusammenhängend äußert‹. Der Plural Wörter wird für die erste, der Plural Worte für die zweite Bedeutung verwendet. Wörter sind mehrere einzelne sprachliche Einheiten, Worte sind eine zusammenhängende sprachliche Äußerung, die aus einzelnen Wörtern besteht, aber nicht hinsichtlich ihrer Bestandteile, sondern nur als Ganzes interessiert. Beispiele: „Die WörterFreiheit und Liebe sind sehr vieldeutig“; „Mit diesen Worten [= mit dieser Aussage, so sprechend] verließ sie den Raum.“ – Eine ähnliche Unterscheidung von Einzelheiten und Gesamtheiten finden wir beim Plural von Land und Mann: Länder sind mehrere einzelne, klar voneinander abgegrenzte Gebiete, die man gegebenenfalls zählen kann; Lande sind mehrere, zwar prinzipiell verschiedene, aber untereinander zusammenhängende und eine größere Einheit bildende Gegenden, deren Anzahl man nicht genau angeben kann, weil die Grenzen sich nicht klar bestimmen lassen. Beispiele: „Die Länder Spanien und Portugal liegen auf der iberischen Halbinsel“; „Er war bekannt in allen Landen von der Nordsee bis zu den Alpen“. – Männer sind mehrere einzelne Individuen; Mannen sind mehrere aufgrund einer gemeinsamen Aufgabe zusammengehörende, eine Gruppe bildende Personen, die man zwar prinzipiell auch einzeln betrachten kann, deren Individualität und auch Anzahl aber nicht interessiert, weil es nur um die Gruppe als solche geht. (Der Plural Mannen ist heutzutage eher veraltet und nur noch im Sinne von ›Gefolgsleute, Mannschaft‹ gebräuchlich.) Beispiele: „Ich habe gestern mit zwei Männern gesprochen“; „Alle Mann(en) zu mir!“