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Germanistische Sprachwissenschaft

Wissenschaftstransfer – Öffentlichkeitsaktivitäten

Sprachauskunft und Sprachberatung: Namen, Anredeformen

Frage: Freunde von uns heißen mit Nachnamen Adomeit. Wir fragen uns seit längerem, woher dieser doch auffällige Name wohl kommt.
Antwort: Es handelt sich um einen Familiennamen, der auf den Vornamen des Vaters oder des Ahnherrn zurückgeht. Man nennt diese Familiennamen Patronymika (Vaternamen); zu ihnen gehören beispielsweise in den germanischen Sprachen Namen mit Sohn als zweitem Bestandteil (Karlssohn, Peterson,Christiansen usw.), aber auch Namen mit alter Genitivendung (Jochims, Franzens, Georgi usw.). Die Endung -eit geht auf das litauische -aitis (›Sohn von ...‹) zurück; wer Adomeit heißt, wird also eine Person namens Adam zu seinen Vorfahren zählen und die Herkunft seiner Familie in den baltischen Sprachraum zurückführen können. Neben Adomeit gibt es weitere, analog gebildete Namen, beispielsweise Abromeit (›Sohn des Abraham‹), Simoneit (›Sohn des Simon‹) aber auch Schneidereit (›Sohn des Schneiders‹), wobei kein Personenname, sondern die Berufsbezeichnung des Vaters oder Ahnherrn zugrunde liegt.

 

Frage: Ich bekomme seit einigen Jahren immer wieder einmal E-Mails mit der Anrede „Sehr geehrter Dr. Schmidt“. Das empfinde ich als englischen oder amerikanisch-englischen Einfluss und im Deutschen als ungehörig. Ist bei uns nicht nach wie vor die Anrede mit Herr und gegebenenfalls dem Titel korrekt (also „Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt“)?

Antwort: In der Tat handelt es sich hier offenbar um einen englischen Einfluss: Im angelsächsischen Sprachraum ist eine Anrede wie „Dear Dr Schmidt“ völlig üblich und gilt nicht als unhöflich. Im Deutschen sieht das etwas anders aus: Die Höflichkeit gebietet hier bei Personen, die man siezt, in jedem Fall die Anrede mit Herr bzw. Frau; und wer nichts falsch machen will, schreibt oder sagt dann durchaus auch noch den akademischen Titel dazu (also genau so, wie Sie es erwarten: „Sehr geehrter Herr Dr. Schmidt“).

Festzustellen sind in den letzten Jahren bis Jahrzehnten – durchaus nicht erst seit Aufkommen des E-Mail-Verkehrs – mancherlei Unsicherheiten im Anredeverhalten, die sicherlich nicht alle durch fremdsprachigen Einfluss erklärt werden können. Schon seit den 1970er Jahren lässt sich, möglicherweise zusammenhängend mit der fortschreitenden Demokratisierung und Ent-Elitarisierung unserer Gesellschaft, die Tendenz erkennen, soziale Hierarchien zumindest in der Sprache abzubauen. Nicht nur, dass das vertrauliche Du gegenüber dem distanzierten Sie in vielen Zusammenhängen auf dem Vormarsch ist, man erlebt häufig auch, dass Titel, beispielsweise der Professoren- oder der Doktortitel, in der Anrede weggelassen werden.

Ob diejenigen, die berechtigt sind, solche Titel zu führen, das als ärgerlich empfinden oder nicht, sei dahingestellt. Im universitären Zusammenhang, wo die meisten Personen irgendeinen Titel haben, neigt man seit der studentischen Bewegung von 1968 traditionell dazu, darauf keinen allzu großen Wert zu legen; viele Kolleginnen und Kollegen sind mit der Anrede „Frau/Herr [Familienname]“ bzw. im Schriftverkehr „Sehr geehrte/r Frau/Herr [Familienname]“ (etwas weniger förmlich auch „Liebe/r Frau/Herr [Familienname]“) durchaus zufrieden.

Wer bei der Anrede unbedingt Titel verwenden will (oder verwenden zu sollen glaubt), sollte sich bei Personen mit mehreren Titeln auf den höchsten beschränken. So haben zwar die allermeisten Universitätsprofessorinnen und -professoren auch einen Doktortitel, aber da Professor(in) der höherwertige Titel ist, schreibt oder sagt man nicht „Frau Professorin Dr. Schmidt“ oder „Herr Professor Dr. Schmidt“, sondern nur „Frau/Herr Professorin/Professor Schmidt“. (Das gilt allerdings nicht für das Adressfeld bei Briefen: Hier schreibt man korrekt „Frau Professorin“ bzw. „Herrn“ [nicht „Herr“!] „Professor“ | “Dr. Ilse Schmidt“ bzw. „Dr. Werner Schmidt“ – mit einem Zeilenwechsel zwischen Professor [ausgeschrieben] und Dr. [abgekürzt]. Der Doktortitel gilt als Bestandteil des Namens und wird daher mit dem Namen zusammen in eine Zeile geschrieben.)

Nichts zu suchen in der schriftlichen oder mündlichen Anrede hat bei Personen, die man siezt und mit denen man nicht vertraulich verkehrt, der Vorname. Also nicht „Sehr geehrter Werner Schmidt“, auch nicht „Sehr geehrter Herr Werner Schmidt“, schon gar nicht „Sehr geehrter Prof. Dr. Werner Schmidt“. Auch von „Lieber Werner Schmidt“ ist in der Regel abzuraten, da es etwas herablassend klingt.

Ein Letztes: Völlig unüblich ist heutzutage bei der Anrede die Verwendung von akademischen Titeln ohne Zusatz des Namens. „Sehr geehrter Herr Professor“ oder (mündlich) „Herr Professor“ wirkt unterwürfig und sollte vermieden werden. Auch beim Besuch der Hausärztin ist die Anrede „Frau Dr. Schmidt“ der Anrede „Frau Doktor“ vorzuziehen. – Bei nicht akademischen Titeln ist es anders: Hier lässt man in der Anrede den Personenname in der Regel weg (also beispielsweise nur „Frau Bundeskanzlerin“, „Herr Minister“, „Frau Oberbürgermeisterin“, „Herr Stadtrat“ usw.).

 

Frage: Wir wollen unsere Tochter Coocaburra nennen. Das Standesamt ist dagegen. Können Sie uns helfen?
Antwort: Leider nicht. Das Wort Kookaburra stammt aus einer australischen Eingeborenensprache. Der Kookaburra (lat. Dacelo gigas, engl. Laughing Jack, dt. Lachender Hans) ist ein zur Ordnung der Rackenvögel und zur Familie der Eisvögel gehörender, etwa krähengroßer Vogel, der in Australien (vor allem in Süd- und Ostaustralien) vorkommt und durch seinen charakteristischen, lautem Gelächter ähnlichen Ruf bekannt ist. – Abgesehen davon, dass Tierbezeichnungen, die als Vornamen nicht traditionell verwurzelt sind (z. B. Wolf), nicht als Vornamen gegeben werden sollten, ist Kookaburra eindeutig männlich (auch im Englischen, wie ein australisches Volkslied erkennen lässt: „Kookaburra sits on an old gum tree, merry, merry king of the bush is he ...“) und kommt deshalb als weiblicher Vorname nicht in Frage.

 

Frage: Ich interessiere mich für zwei Ortsnamen: Hat Darmstadt etwas mit dem Wort Darm zu tun? Und warum heißt München München?
Antwort: Wie fast immer kommt man hier nicht ohne Kenntnis historischer Urkunden aus. Zwischen dem 11. und dem 14. Jahrhundert hat sich der Name Darmstadt stark verändert. Im 14. Jahrhundert schrieb man ihn Darmestat, im 11. Jahrhundert hingegen Darmundestat. Die letztere Form zeigt, dass dem Ortsnamen ein männlicher Personenname, Darmund, zugrunde liegt. Darmstadt war ursprünglich die ›(Wohn)stätte des Darmund‹, und dieser Darmund mag ein Forstwart oder Wildhüter gewesen sein, da die Siedlung vermutlich aus einem Jagdhaus im frühmittelalterlichen Reichsforst Dreieich entstanden ist. – Zu München: Die Stadt wurde 1158 von Heinrich dem Löwen, damals Herzog von Sachsen und Bayern, gegründet, um dem regionalen Herrn, dem Bischof von Freising, mit einem Marktflecken Konkurrenz zu machen. (Die Vergabe von Marktrechten und der Handel selbst brachten dem Fürsten Steuereinnahmen.) Es scheint bereits vorher eine Siedlung existiert zu haben, die von Heinrich dem Löwen nur mit Stadtrechten versehen wurde, und diese Siedlung soll auf Grundbesitz des Klosters Schäftlarn gelegen haben. Man nannte sie daher die Siedlung „bei den Mönchen“: apud Munichen (1158) bzw. München (1310). Der Bericht vom Klostergelände findet sich allerdings erst 1533.

 

Frage: Obwohl wir seit Jahren ein vereintes Deutschland sind, wird immer noch von der „Bundesrepublik Deutschland“ gesprochen. Wäre es nicht besser, unser Land wie in früheren Zeiten einfach „Deutschland“ zu nennen?

Antwort: Die Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland waren wir über Jahrzehnte als Gegensatz zur Deutschen Demokratischen Republik zu sehen gewohnt, so dass wir sie heute, nach der Wiedervereinigung, möglicherweise als veraltet empfinden. Das ist sie aber keineswegs; vielmehr ist Bundesrepublik Deutschland noch immer die offizielle Bezeichnung für unseren Staat. Allerdings gilt: Bei den für den amtlichen Sprachgebrauch vorgeschriebenen Staatennamen unterscheiden wir eine Vollform für offizielle Texte (Gesetze, Verträge, auch Nachrichten) und eine Kurzform für den alltäglichen Gebrauch. Drei Beispiele: Französische Republik und Frankreich; Großherzogtum Luxemburg und Luxemburg; Republik Österreich und Österreich. Entsprechend lautet unser Staatsname in der Vollform Bundesrepublik Deutschland, in der Kurzform einfach Deutschland. Als Faustregel gilt also: Wir können prinzipiell beides (Bundesrepublik Deutschland oder einfach Deutschland) sagen, aber wenn es offiziell werden soll, müssen wir die Vollform Bundesrepublik Deutschland verwenden. – Eine Liste aller Staatennamen mit Kurz- und Vollformen findet sich übrigens im Internet unter https://www.stagn.de/SharedDocs/Downloads/DE/StAGN_Publikationen/140408_STAATENNAMEN_13_ol.pdf?__blob=publicationFile&v=4.

 

Frage: Warum haben manche Ländernamen einen Artikel bei sich (z. B. die Schweiz), die meisten aber nicht?
Antwort: Ortsnamen (z. B. Köln, Hamburg) und Staatennamen (z. B. Deutschland, Frankreich) stehen im Deutschen in der Regel ohne Artikel, Landschaftsnamen (die Pfalz, das Engadin) hingegen in der Regel mit Artikel. Nun gibt es Staatennamen, die ursprünglich Landschaftsnamen gewesen sind (z. B. die Schweiz, der Jemen bzw. Kollektivbezeichnungen: die Niederlande); diese behalten auch als Staatennamen den Artikel.

 

Frage: Ich möchte meiner Tochter den Namen Maria als einzigen Vornamen geben. Die Standesbeamtin findet in ihrem Buch, dass Maria sowohl ein weiblicher als auch ein männlicher Vorname ist und will ihn daher nur zusammen mit einem weiteren, eindeutig weiblichen Vornamen eintragen. Was sollen wir tun?
Antwort: Die Eintragung von Maria als einzigem weiblichem Vornamen ist ohne weiteres zulässig. Die Standesbeamtin beruft sich vermutlich auf das Internationale Handbuch der Vornamen von 1986. Dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung von Informationen aus verschiedenen Vornamenbüchern, die lediglich belegte Namensformen (darunter ganz absurde Schreibvarianten) und das Geschlecht angibt. Sind in unterschiedlichen Quellen unterschiedliche Angaben zum Geschlecht zu finden, so werden kommentarlos beide übernommen. Dass dies in vielen Fällen zu einer verfälschenden Darstellung des Sachverhaltes führen kann, zeigt sich bei Maria. Dieser Vorname ist eindeutig weiblich. Er findet sich zwar in manchen Gegenden – vor allem in Süddeutschland – aus religiös-traditionellen Gründen auch als männlicher Vorname, allerdings immer nur als Beivorname, d. h. in Verbindung mit einem eindeutig männlichen Erstvornamen. Nur in einer solchen Verbindung ist Maria nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Darmstadt von 1930 als männlicher Vorname zulässig. In Verbindung mit einem weiblichen Vornamen oder als alleiniger Vorname ist Maria eindeutig weiblich. – Mittlerweile ist übrigens eine Neubearbeitung des Handbuchs erschienen, in der viele Fehler beseitigt sind.

 

Frage: Als Einwohner der Stadt Vechta (und auch dort geboren) bin ich ein Vechtaer. Warum heißt es Vechtaer und nicht Vechtaraner, so wie Hannoveraner bei Hannover?

Antwort: Im Band 9 der 12-bändigen Dudenreihe (Richtiges und gutes Deutsch. Zweifelsfälle der deutschen Sprache) findet man ausführliche Informationen zu den von Ortsnamen abgeleiteten Einwohnerbezeichnungen. Demzufolge ist die Standardform die Hinzufügung des Wortelements -er zu dem ansonsten unveränderten Ortsnamen. Es gibt bestimmte Ausnahmen, insbesondere dann, wenn ein Ortsname als solcher bereits auf -er endet (so bei Hannover). Hier wird aus klanglichen Gründen – um die Doppelung des -er am Ende zu vermeiden – eine andere Form gewählt, beispielsweise die Ableitung auf -aner. Endet der Ortsname auf -en (Bremen, Bingen usw.), so kann dieser Bestandteil bei der Ableitung wegfallen (Bremer, Binger usw.). Dies ist aber keineswegs immer der Fall (MünchenMünch(e)ner), insbesondere dann nicht, wenn es sich um einen Namen handelt, der sich aus einer anderen Sprache herleitet und bei dem das -en kein zusätzliches Wortelement ist, sondern zum Stamm gehört (DresdenDresd(e)ner).

Ortsnamen, die auf -a enden, bilden die Einwohnerbezeichnung in der Regel ganz normal mit -er (Fuldaer, Jenaer und eben auch Vechtaer). In bestimmten – jeweils historisch begründeten – Fällen gibt es daneben auch noch die Möglichkeit, nach (spät-)lateinischem Vorbild eine Einwohnerbezeichnung auf -enser abzuleiten (Jenenser). Dafür gibt es aber im Falle von Vechta keine Tradition, so dass diese Möglichkeit nicht in Betracht kommt.

Die Form Vechtaraner, die scheinbar analog zu Hannoveraner gebildet ist, lässt sich ebenfalls nicht rechtfertigen: Sie wäre bereits von der Wortstruktur her falsch, denn das r gehört bei Hannoveraner zum Ortsnamen, nicht zur Endung; bei Vechta müsste, wenn die Bildung tatsächlich analog zu Hannoveraner erfolgte, die Einwohnerbezeichnung Vechtaaner lauten. Dass dies der Aussprache wegen ebenfalls ausscheidet, versteht sich von selbst.

Daher bietet sich aus sprachwissenschaftlicher Sicht zu Vechtaer keine Alternative. Natürlich können alle, die das möchten, trotzdem Vechtaraner sagen: Die Sprachwissenschaft kann und will ja diesbezüglich nichts vorschreiben. Es wäre auch möglich, eine indiviuduelle Phantasieform (Vechtaner, Vechter oder Ähnliches) zu gebrauchen. Dergleichen wäre dann allerdings tatsächlich nicht mehr als eine persönliche Sache – zudem ebenfalls sprachhistorisch falsch – und würde vermutlich kaum auf allgemeine Akzeptanz stoßen.

 

Frage: Wenn ich mit Herrn Meier spreche, den ich sieze, und dabei über jemanden rede, den wir beide duzen (Fritz Müller): Ist es korrekt, Herr Müller oder Fritz zu sagen?
Antwort: Sobald beide Gesprächspartner die Person, über die gesprochen wird, duzen, ist es korrekt, den Vornamen zu gebrauchen. Von Herrn Müller zu reden, würde unnatürlich wirken, auch dann, wenn beide Gesprächspartner untereinander „per Sie“ sind. – So weit, so einfach. Komplizierter wird es, wenn einer von beiden Gesprächspartnern Fritz Müller siezt, während der andere ihn duzt. Hier würde nach alter Schule jeder der beiden von Herrn Müller reden – der eine aus Höflichkeit gegenüber Fritz Müller, weil er sich den vertraulichen Gebrauch des Vornamens auch in Bezug auf den Abwesenden nicht anmaßen will, der andere hingegen aus Höflichkeit gegenüber seinem Gesprächspartner, weil er sich mit seinem vertraulicheren Verhältnis zu Fritz Müller nicht brüsten möchte. – Heutzutage sieht man das vermutlich etwas lockerer, so dass es gemeinhin nicht als unhöflich gilt, wenn sich jeder der beiden Gesprächspartner der ihm „zustehenden“ Redeweise bedient – zumindest bei gleichgestellten Gesprächspartnern. Gegenüber einem Vorgesetzten (zumindest in einer steilen Hierarchie), der mit Fritz Müller „per Sie“ ist, würde man wohl bis heute kaum von Fritz reden, wenn man selbst Fritz Müller duzt. – Für alle Unsicherheiten gibt es im Übrigen eine recht gute „Kompromisslösung“: Wer statt von Fritz oder von Herrn Müller von Fritz Müller redet, kann auf jeden Fall nicht viel falsch machen.