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Germanistische Sprachwissenschaft

Wissenschaftstransfer – Öffentlichkeitsaktivitäten

Sprachauskunft und Sprachberatung: Wörter

Frage: Bei einer Überlandfahrt habe ich im Wald ein Schild gesehen, das sich gegen Umweltverschmutzer richtete. Zu lesen war darauf: „Du alte Waldsau!“ Ich (über 60) fühle mich dadurch verunglimpft. Ich habe noch nie Abfall in den Wald geworfen, und so schlechte Manieren haben ja wohl auch hauptsächlich jüngere Leute. Ich finde, es sollte „Du junge Waldsau!“ heißen.
Antwort: Zu welcher Altersgruppe Umweltsünder hauptsächlich gehören, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Wort alt ist aber hier auch gar nicht im Sinne von ›nicht mehr jung‹ zu verstehen, sondern als verstärkendes Adjektiv bei negativ charakterisierenden Personenbezeichnungen (z. B. alter Geizkragen, altes Ferkel). Gemeint sein können damit natürlich auch ganz junge Personen. In Heinz Küppers Illustriertem Lexikon der deutschen Umgangssprache wird die angeblich seit dem 19. Jahrhundert existierende Bedeutung mit ›leidig, unangenehm, widerlich‹ angegeben. Man wolle, so Küpper, „zum Ausdruck bringen, daß der Betreffende seit langem als ein solcher bekannt ist, wie ihn das Substantiv bezeichnet“. Diese Erklärung greift aber wohl zu kurz. Das Adjektiv alt wurde, wie das Frühneuhochdeutsche Wörterbuch von Oskar Reichmann belegt, in der Bedeutung ›abgefeimt, sündig, verrucht, verworfen‹ bereits im 14. Jahrhundert verwendet, hauptsächlich im Zusammenhang mit theologischen Inhalten. Alt war offenbar das, was durch die Erlösungstat Christi noch nicht neu gemacht worden war, z. B. die alte Schlange oder der alte Drache (beides bezeichnet den Teufel). Von dieser Bedeutung des Bösen, Schlechten her dürfte sich dann durch Übertragung auf nicht theologische Zusammenhänge – ebenfalls bereits im 14. Jahrhundert – die abwertende Funktion des Adjektivs herausgebildet haben, die Ihnen in der alten Waldsau begegnet ist.

 

Frage: Was bedeutet das Wort Blutzer?
Antwort: Blutzer oder Blutzger ist ein süddeutsches (bairisches und schwäbisches) Dialektwort, das bereits im Frühneuhochdeutschen belegt ist und so viel wie ›Melone, Kürbis‹, später auch ›runde, bauchige Flasche‹ bedeutet. Das Wörterbuch der bairischen Mundarten in Österreich erklärt es als lautmalerisches Wort, ausgehend von der Grundvorstellung des Bauchigen, Plumpen bzw. dumpf Auffallenden.

 

Frage: Eine Freundin von mir hat behauptet, die beiden Wörter Buch (das, was man lesen kann) und Buche (der Baum) seien eigentlich dasselbe Wort. Ich habe gesagt, das ist Unsinn. Habe ich Recht? (Es geht um eine Wette.)

Antwort: Das ist einer der Fälle, in denen man nicht mit letzter Sicherheit entscheiden kann. Zunächst einmal: Buch und Buche sind selbstverständlich verschiedene Wörter. Sie haben unterschiedliches Genus (das Buch, aber die Buche) und unterschiedliche Flexionsformen (z. B. im Plural: die Bücher, aber die Buchen). Wenn „eigentlich“ heißen soll, dass beide Wörter historisch verwandt sind: Diese Vermutung findet man in der Tat der älteren Literatur, beispielsweise im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm. Dort liest man unter buch Folgendes: „wie den Griechen βύβλος, βίβλος bast, rinde und dann, weil sie bemahlt, beschrieben wurde, schrift, brief und buch, den Römern liber bast und buch bedeutete; so gieng unsern vorfahren, die ihre schrift auf steine und zum gewöhnlichen gebrauch auf büchene breter ritzten, die vorstellung des eingeritzten über auf buche, den namen des baums, aus dessen holz breter und tafeln am leichtesten geschnitten werden konnten“ (DWB, Bd. 2, Leipzig 1860; die Schreibung entspricht dem Original).

Buch soll demnach von Buche abgeleitet sein, weil die alten Germanen ursprünglich auf Buchenholz geschrieben haben sollen. — Die neuere Fachliteratur steht dieser Ansicht skeptisch gegenüber. Im Etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Friedrich Kluge (24. Aufl., bearb. v. Elmar Seebold, Berlin/New York 2002) findet sich die Auffassung, dass Buch und Buche „aus formalen und sachlichen Gründen“ miteinander „nichts zu tun haben“. Die formalen Gründe betreffen die historische Grammatik (ein Wurzelnomen wie Buch erscheint demnach als das ursprünglichere Wort, nicht als das abgeleitete), die sachlichen bestehen darin, dass „nirgends das Schreiben von Runen (um das es ursprünglich gegangen sein muß) auf Buchentafeln bezeugt ist“.

Was nun stimmt, lässt sich mit Gewissheit, wie gesagt, nicht feststellen. Dass das eine Wort wohl nicht vom anderen abgeleitet ist, schließt nicht aus, dass die Wortbildung nicht umgekehrt erfolgt sein könnte (der Baum könnte nach der Verwendung benannt sein, die sein Holz charakteristischerweise fand), und dass das Schreiben von Runen auf Buchentafeln nicht bezeugt ist, beweist nicht, dass es nicht doch stattgefunden hat.

Die Sprachwissenschaft kann also Ihre Wette letztlich leider nicht entscheiden; wir raten dazu, sich den Wetteinsatz geschwisterlich zu teilen.

 

Frage: Ich habe im Prinzip nichts gegen Anglizismen, aber ich finde, die Fremdwortfreundlichkeit geht zu weit, wenn Ausdrücke für das Deutsche neu „erfunden“ werden, die das Englische gar nicht kennt, z. B. Handy. Vor kurzem erhielt ich als Werbegeschenk einen „Cappucchino-Topper“, eine Streudose, mit der man den Milchschaum in vier verschiedenen Geschmacksrichtungen bepudern kann. Hauptsache Englisch oder was?
Antwort: Ihr Beleg ist ein schönes Beispiel dafür, wie sehr gerade in der Werbebranche die Meinung verbreitet ist, durch englische Bezeichnungen ein Produkt attraktiver machen zu können. Dabei beschränkt man sich nicht einmal auf die mittlerweile allgemein übliche Sprachmischung Deutsch-Englisch, sondern greift bedenkenlos auch auf andere Sprachen aus. In Ihrem Beleg glaubte man ein italienisches Wort mit einem englischen bzw. amerikanischen „toppen“ zu müssen. – Allerdings ist die Inhomogenität der Fügung zumindest der Sache nach weit geringer als es auf den ersten Blick scheinen mag. Der Cappuccino ist in seiner klassischen Form zwar ohne Frage ein aus Italien stammendes Getränk, erfreut sich aber in den USA großer Beliebtheit, ebenso wie Spaghetti und Pizza. (Sieben von zehn US-Amerikanern werden auf die Frage, welches Land die Pizza erfunden hat, ihr eigenes nennen.) Dabei sind natürlich, wie üblich in solchen Fällen, der Variation und „Verfastfoodung“ keine Grenzen gesetzt. Will sagen: Wenn es tatsächlich so etwas wie einen „Cappuccino-Topper“ gibt, so ist er sicherlich eher eine amerikanische Erfindung als eine italienische; Cappuccino in Cappuccino-Topper wäre demnach aus unserer Sicht ein englisches Wort (für das Englische natürlich gleichfalls ein Fremdwort, ein Italianismus). Übrigens gar nicht so unwahrscheinlich; wie man weiß, gibt es kaum eine Sprache, die mehr Fremdwörter aufgenommen hat (und weiterhin täglich aufnimmt) als das Englische. — Interessant in diesem Zusammenhang ist der Hinweis eines Kollegen aus der Anglistik: Das fragliche Wort ist im amerikanischen Englisch tatsächlich belegt, wenn auch in ganz anderer Bedeutung. Auf der Internetseite eines in Seattle beheimateten Kochrezepteforums (http://www.bigoven.com/recipe/252975/cappuccino-toppers, gesehen am 31. 1. 2013) findet sich ein Rezept für Törtchen mit einer Haube aus Cappuccino-Creme – Foto inklusive. Der Name der Köstlichkeit: Cappuccino Toppers (im Plural).

 

Frage: In einem Interview mit Christian Gauck, dem Sohn des künfigen Bundespräsidenten, in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (4. 3. 2012) lese ich das Wort dekonspirieren: Sein Vater, so Gauck junior, habe seinerzeit DDR-Bürgern, wenn diese von der Stasi angeworben werden sollten und sich darauf nicht einlassen wollten, geraten, sich zu dekonspirieren. – Das Wort steht nicht in meinem Duden. Können Sie es erklären?
Antwort: Nicht nur in Ihrem Duden – vermutlich dem Rechtschreib-Duden – fehlt das Wort, sondern auch im Flaggschiff der Mannheimer Dudenredaktion (Duden. Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 4. Aufl. 2012). Es handelt sich um ein – heute glücklicherweise historisches – Jargonwort der Stasi. Konspiration hieß dort die politisch-operative Arbeit mittels Täuschung, Verschleierung und Geheimhaltung; das dazu gehörige Verb konspirieren bedeutete, frei übersetzt, ›etwas im Sinne der Stasi insgeheim tun‹. Versehen mit der lateinischen Vorsilbe de- (›von ... weg, ab‹), stand das Verb für die Aufhebung der Geheimhaltung. Wenn jemand sich dekonspirierte, dann machte er öffentlich, dass er Stasi-Mitarbeiter war oder werden sollte – und wurde so für die Konspiration unbrauchbar. Eine alltagssprachliche Entsprechung von jemanden bzw. sich dekonspirieren wäre enttarnen.

 

Frage: Hier ist ein kleiner Brand aufgelodert um die Formulierung „ein fahler Beigeschmack“. Aus meiner Sicht ist diese schlichtweg falsch, denn fahl hat ja hauptsächlich die Bedeutung von ›blass, farblos, schummrig‹ – und somit nichts mit einer Geschmackssensation (wenn auch nur im übertragenen Sinne)  zu tun. Definitiv richtig scheint mir fader Beigeschmack oder notfalls auch schaler oder negativer. Ich bin gespannt und würde mich sehr über eine Aussage dazu freuen.

Antwort: Das Adjektiv fahl bedeutet, dem 10-bändigen Dudenwörterbuch (4. Aufl., Mannheim u.a. 2012) zufolge, ›von blasser Färbung, fast farblos‹. In übertragener Verwendung kann es auch ›kraftlos, blass‹ (fahler Stil) und ›nach nichts schmeckend‹ (fahle Leckereien) bedeuten. Man kann also das Adjektiv durchaus auch im Zusammenhang mit Geschmackssensationen verwenden. Allerdings erscheint die Fügung fahler Beigeschmack nicht sinnvoll, da ein ›nach nichts schmeckender Beigeschmack‹ überhaupt kein Beigeschmack sein kann; es handelt sich hier um eine sogenannte Contradictio in Adjecto (einen Widerspruch, der durch das einem Substantiv beigefügte Adjektiv entsteht, weil es mit der Bedeutung des Substantivs unvereinbar ist). Möglicherweise liegt bei fahler Beigeschmack eine Überlagerung der Fügungen fader Beigeschmack und schaler Beigeschmack vor, bei der die beiden Adjektive zu dem ebenfalls existierenden fahl zusammengezogen werden. – Es darf fraglich gemacht werden, wie sinnvoll auch diese Fügungen sind. Ein Beigeschmack ist ja ein Geschmack, der sich gegen den Hauptgeschmack in irgendeiner Weise durchsetzt und ihn stört; ob eine schale oder fade Sensation dazu genügend Intensität haben kann? Wer auf feines Sprachgefühl Wert legt, spricht folglich am besten nur von schalem oder fadem Geschmack.

Nachvollziehbar könnte von einem fahlen ›zwielichtigen‹ Beigeschmack die Rede sein, wenn man auch das Wort Beigeschmack metaphorisch (im Sinne der Anrüchigkeit, der moralischen Fragwürdigkeit etwa eines politischen Handelns) versteht; ob das aber in dem Ihnen vorliegenden Zusammenhang gemeint ist, können wir nicht beurteilen.

Frage: In mehreren Todesanzeigen aus den 1920er und 1930er Jahren findet sich die Anmerkung „ohne Frauen­geleit“. Vielleicht ist es möglich, den Zusammenhang zu klären?

Antwort: In der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 29. 6. 2009 gab es einen Bericht darüber, dass der Stadt­archivar von Velbert in Traueranzeigen aus dem genannten Zeitraum auf die Formulierung „ohne Frauengeleit“ gesto­ßen war und vergebens versucht hatte herauszufinden, was damit gemeint war. Leider können wir die Sache mit den uns zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln und Quellentexten ebenfalls nicht letztgültig klären. Ein bisschen näher kommen wir der Sache allerdings wohl schon.

Im Einhundertundfünften Neujahrsblatt der Zürcherischen Hülfsge­sell­schaft auf das Jahr 1905, S. 7, liest man folgende Wiedergabe einer Tagebuchaufzeichnung von 1798: „Während noch das ganze 18. Jahrhundert hindurch sowohl Männer als Frauen an die in der Stadt stattfindenden Leichen­be­gäng­nisse zu gehen pflegten, wobei zuerst die Frauen den weiblichen Angehörigen ihr Beileid bezeugten, geriet zum erstenmal am 24. Mai 98 beim Kirchgang eines auf dem Lindenhofe verunglückten Knaben das Frauengeleite in Weg­fall, was ziemliches Aufsehen erregte.“

Am 21. April 1879 wurde der Bischof von Chur Caspar Willi mit Frauen­ge­leit be­stat­tet (Liechten­stei­ner Volks­blatt, 2. 5. 1879). Ende des 19. und anfangs des 20. Jahrhunderts war in Chur aber anscheinend die „Beerdigung [...] ohne Frauengeleite“ die Norm: „Die teilnehmenden Männer begaben sich zum Haus des Verstorbenen, wo ein oder mehrere Hinterbliebene an der Haustüre standen und den Händedruck und die Kondolation des Teilnehmers in Empfang nahmen. Um 2 Uhr läuteten die Kirchenglocken; dann bewegte sich der Trauerzug gemessenen Schrittes zum Friedhof. Die Beerdigung fand mit kurzer Ansprache und Gebet des Geistlichen statt. Alsdann begab sich die Trauergemeinde in die Kapelle, wo die Frauen direkt, ohne an der Beerdigung teilzunehmen, hingegangen waren; der Geistliche hielt einen Trauergottesdienst.“ (Andreas Trippel, Die Churer Stadtverwaltung seit 1885, in: Bündner Jahrbuch. Zeitschrift für Kunst, Kultur und Geschichte Graubündens 3 [1961], S. 25.)

Zu vermuten ist, dass auch die späteren Belege sich auf den hier beschriebenen Usus beziehen. „Ohne Frauengeleit“ scheint zu bedeuten, dass nur Männer am Trauerzug und an der Beisetzung teilnahmen, Frauen nur am Trauergottesdienst.

 

Frage: Mein Großvater (82) liebt es, wenn er jemandem zu dessen Geburtstag gratuliert, immer einen Geburtstag mehr zu zählen als der Betreffende alt wird. Als ich beispielsweise 24 wurde hat er mit zum „fünfundzwanzigsten Geburtstag“ gratuliert, weil der Tag meiner Geburt ja mein erster Geburtstag war und man, als ich ein Jahr alt wurde, demnach schon meinen zweiten Geburtstag feiern konnte. Stimmt das?
Antwort: Dieser Sprachulk hält sich hartnäckig; insbesondere Großväter scheinen ihn zu mögen. Tatsache ist, dass das Wort Geburtstag nicht ›Tag der Geburt‹, sondern ›Jahrestag der Geburt‹ bedeutet; seinen 25. Geburtstag feiert man daher an dem Tag, an dem man 25 Jahre alt wird (d. h. mit Vollendung des 25. Lebensjahrs).

 

Frage: Unsere Tochter wurde in der Schule bestraft, weil sie das Wort geil verwendet hat. Sie hat es aber in der heutzutage in der Jugendsprache ganz gängigen Weise gebraucht und nichts Anzügliches oder Unanständiges damit gemeint. Kann die Lehrerin das Wort verbieten?
Antwort: Über Herkunft und Bedeutung des Wortes geil geben verschiedene Wörterbücher Auskunft. Wir fassen die dort nachzulesenden Informationen zusammen: Nach dem Etymologischen Wörterbuch des Deutschen von Wolfgang Pfeifer (2. Aufl. 1993) geht geil wohl zurück auf indoeuropäisch *ghoilos ›aufschäumend, heftig, übermütig, ausgelassen, lustig‹. Im Althochdeutschen (seit dem 8. Jahrhundert) bedeutet geil so viel wie ›übermütig, überheblich‹; im Mittelhochdeutschen (seit dem 12. Jahrhundert) kann es ›kraftvoll, mutwillig, üppig, lustig‹, in anderen germanischen Sprachen ›froh, fröhlich‹ sowie ›schön‹ heißen. Diesem Wortgebrauch, der in der Variante ›übermäßig (in Bezug auf Gefühle o. Ä.)‹ bis ins 20. Jahrhundert hinein bezeugt ist (vgl. das sechsbändige Duden-Wörterbuch, Bd. 3, 1977), steht die heute vorherrschende Bedeutung ›lüstern, sexuell erregt‹ gegenüber; sie ist allerdings erst seit dem 15. Jahrhundert, also deutlich später ausgeprägt. Eine ausführliche Darstellung der Wortgeschichte bis ins 19. Jahrhundert, die hier nicht im Einzelnen wiedergegeben werden kann, bietet das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm (Bd. 4.1.II, 1897). – An die ursprüngliche, ab dem 17. Jahrhundert selten gewordene Bedeutung knüpft spätestens seit Beginn der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts die Verwendung von geil im Wortschatz der Jugendsprache an. Hier hat das Wort die Bedeutung ›sehr gut, großartig, beeindruckend, klasse‹ und dient dem Ausdruck positiver Gefühle und/oder uneingeschränkter Zustimmung (z. B. geile Musik, geile Party, geiles Wetter). Die Gesellschaft für deutsche Sprache hat diesen Wortgebrauch bereits früh dokumentiert (s. Der Sprachdienst 2/1981, S. 30 und 1–2/1982, S. 10); mittlerweile verzeichnet ihn auch das derzeit aktuellste der großen Wörterbücher zur deutschen Gegenwartssprache, der zehnbändige Duden (1999): ›in begeisternder Weise schön, gut; großartig, toll‹. – Es ist verständlich, wenn sich manche – vor allem ältere – Zeitgenossen, die hauptsächlich oder sogar ausschließlich noch die „unanständige“ Bedeutung kennen, durch das unbefangen geäußerte Wort verärgert oder schockiert fühlen. Es könnte sich daher aus Gründen der Höflichkeit empfehlen, gegenüber solchen Personen darauf zu verzichten. Andererseits ist Sprachwandel (und dazu gehört natürlich auch Bedeutungswandel) ein alltäglicher Vorgang, der in der Natur einer jeden Sprache liegt, und es ist den Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft zuzumuten, eine Änderung des allgemeinen Sprachgebrauchs auch dann zur Kenntnis zu nehmen und sich bei anderen darauf einzustellen, wenn sie diese Änderung persönlich nicht mitvollziehen wollen. Ein allgemein, mittlerweile auch schon in Literatur, Presse und Werbung (s. beispielsweise Der Spiegel 42/18. 10. 1999, S. 114) gebräuchliches, erkennbar in nicht beleidigender oder provokativer Absicht verwendetes Wort verbieten zu wollen, ist jedenfalls ausgeschlossen.

 

Frage: Woher kommt das Wort Gerücht? Hat es etwas mit riechen zu tun?
Antwort: Nein, es kommt von rufen, genauer gesagt vom mittelhochdeutschen gerüefte ›Rufen, Geschrei‹. Wie die Frühneuhochdeutsche Grammatik von Oskar Reichmann und Klaus-Peter Wegera ausführt, kann die Lautverbindung ft nach Vokal im Mittelfränkischen und Niederfränkischen seit dem 9. Jahrhundert als cht geschrieben werden. Bei einigen Wörtern hat sich diese Schreibung durchgesetzt. Beispiele sind echt (es kommt nicht von achten, sondern von mittelhochdeutsch êhaft ›richtig, rechtmäßig, gesetzmäßig‹; das mittelhochdeutsche Wort ê, neuhochdeutsch Ehe bedeutet ursprünglich so viel wie ›Recht, Gesetz, Vertrag‹), Nichte (von mittelhochdeutsch niftel), beschwichtigen (von mittelhochdeutsch swiften ›stillen‹) und das Seemannswort achtern ›hinten‹, das von After kommt. Und die holländischen Grachten sind eigentlich die Graften (›Gräben‹).

 

Frage: Woher kommt das Wort Geschoss (im Sinne von ›Stockwerk‹)? Hat es etwas mit schießen zu tun?
Antwort: Ja, und zwar mit schießen in der Bedeutung ›emporwachsen‹, wie es beispielsweise auch in Schössling steckt. Man stellt sich dabei vor, dass das Gebäude von unten nach oben wie eine Pflanze abschnittweise wächst.

 

Frage: Deutsche Sprache, schwere Sprache. Vor allem, wenn es um ähnliche Wörter geht. Was ist der Unterschied zwischen senden und schicken? Antwort: „Monsieur ist ein Gesandter“, sagte Bismarck, „aber kein geschickter“. Was ist der Unterschied zwischen Bänken und Banken? Antwort: Lieber bei diesen sein Geld hinterlegen als auf jenen (was man freilich seit der Finanzkrise nur noch sehr bedingt unterschreiben mag). Was ist der Unterschied zwischen einem Informanten und einem Informanden? Antwort: Der erste liefert Informationen, der zweite soll welche erhalten. Was aber ist der Unterschied zwischen Informationstechnik und Informationstechnologie?
Antwort: Einem der großen Wörterbücher der deutschen Gegenwartssprache, dem zehnbändigen Duden zufolge befasst sich die Informationstechnik mit den Möglichkeiten zur Übermittlung und Verbreitung von Information durch die Technik (die Maßnahmen, Einrichtungen und Verfahren, die dazu dienen, die Erkenntnisse der Naturwissenschaften für den Menschen praktisch nutzbar zu machen). Informationstechnologie hingegen ist die Technologie (das technische Wissen, die Gesamtheit der technischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Möglichkeiten) der Gewinnung, Speicherung und Verarbeitung von Informationen. Fragt man nach den Grundbestandteilen beider Wörter, so findet sich einerseits das lateinische Substantiv informatio (›Auskunft, Nachricht, Belehrung‹), das von einem Verb informare (›formen, gestalten, unterrichten‹) abgeleitet ist (darin wiederum steckt forma ›Form, Gestalt‹), andererseits das griechische Substantiv techne (›Handwerk, Kunst, Kunstfertigkeit‹). Beide Wörter, Informationstechnik und Informationstechnologie, sind Wortbildungen, deren identisches Bestimmungswort Information ist. Die Differenz liegt im Grundwort: In Technologie steckt zusätzlich das griechische logos (›Wort, Geist‹) bzw. logia (›Reflexion, Wissenschaft‹). Wenn also Technik die Kunst ist, Wissen umzusetzen, so ist Technologie die Lehre von der Technik, das Wissen von der Kunst, Wissen umzusetzen. Der Unterschied ist der von Tun und Nachdenken, Praxis und Theorie. – Der theoretische Unterschied. In der (sprachlichen) Praxis nämlich lässt er sich kaum noch finden. Spätestens seit den 1960er Jahren wird Technologie – wohl unter dem Einfluss des englischen technology – zunehmend mit Technik gleichgesetzt. Der Mainzer Sprachwissenschaftler Peter A. Schmitt  führte dies 1987 auf eine qualitative Differenz der so genannten „neuen Technologien“ zu den herkömmlichen Techniken zurück: Während letztere vor allem »Erweiterung der physischen Fähigkeiten des Menschen, also im Grunde ›Werkzeuge‹« gewesen seien, würden mit den neuen Technologien „erstmals auch seine ‚Denkzeuge‘ artifiziell projiziert und ersetzt“, so Schmitt in der Zeitschrift Muttersprache. Sie seien damit „reflexiver Natur“, und dieser Unterschied verwische die traditionelle Trennung zwischen Wissenschaft und Technik, Ingenieur und Techniker und eben auch zwischen den Begriffen Technologie und Technik.

 

Frage: Was ist eine Josefsehe?
Antwort: Eine Ehe, in der die Partner auf Geschlechtsverkehr verzichten. Josef heiratete Maria, obwohl diese ein Kind erwartete, das nicht von ihm stammte, hatte aber keinen Geschlechtsverkehr mit ihr, bis sie ihren Sohn Jesus geboren hatte, den er adoptierte (vgl. Matth. 1, 18–25).

 

Frage: Von einem meiner Schüler hörte ich neulich das Wort Kafruus (mit Betonung auf dem langen u), offenbar ein Schimpfwort. Ist es Dialekt, und was bedeutet es?
Antwort:Kafrus(e) ist im südlichen Westmitteldeutschen, also im Südhessischen und (Kur)pfälzischen verbreitet. Man findet es in einigen großen Dialekt- und Mundartwörterbüchern, z. B. im Pfälzischen Wörterbuch, im Südhessischen Wörterbuch und – etwas lokalspezifischer – im Frankfurter Wörterbuch. Das Wort hat mehrere Bedeutungen, die wohl auch von der jeweiligen Region abhängig sind, in der es verwendet wird. Hergeleitet wird es von rotwelsch Chawrusse oder Kabruse (›Diebsbande‹), das seinerseits auf jiddisch chawrusso (›Gesellschaft, Kameradschaft, Genossenschaft‹) zurückgeht. Diese letztere Bedeutung kann das Wort beispielsweise in der Frankfurter Mundart haben: Heut Owend kimmt die ganz Kafrus ›heute abend kommt die ganze Gesellschaft‹ (Frankf. Wb., S. 432). Deutlicher in Richtung ›Diebsbande, schlechte Gesellschaft‹ zielt es, wenn es beispielsweise redensartlich heißt: Mir mache kippe-kafrus ›wir teilen den Gewinn, die Beute‹, oder auch: In der Wirtschafd verkehrd e bäis Kafrusel ›in der Wirtschaft verkehrt eine böse Gesellschaft‹ (Südhess. Wb., Sp. 1037 f.). Hiervon abgeleitet scheint die Bedeutung ›lärmende Kinderschar, Rasselbande‹ (Südhess. Wb., Sp. 1037; Pfälz. Wb., S. 12). Das Wort kann auch im Singular vorkommen (der Kafrus); es meint dann einen kleinen Jungen oder Lausejungen (Pfälz. Wb., S. 12), einen gefährlichen, durchtriebenen Kerl, z. B. einen Einbrecher (Pfälz. Wb., S. 12; Südhess. Wb. Sp. 1038 – hier auch die Kafrus für eine durchtriebene Frau), einen notorischen Tagdieb, einen streitsüchtigen Burschen, einen moralisch minderwertigen Menschen (Südhess. Wb. Sp. 1038), einen geistesschwachen, tölpelhaften oder ungeschickten Kerl (Südhess. Wb. Sp. 1038; Pfälz. Wb., S. 12), aber auch einen guten Freund oder Kameraden (Pfälz. Wb., S. 12). Im Südhessischen finden sich darüber hinaus die Bedeutungen ›zierliches Tännchen, das der Förster zum Weihnachtsbaum erwählt‹ und ›Durcheinander; verrückte Ideen‹, und auch ein Adjektiv kafrus ›seltsam‹ ist belegt (Südhess. Wb. Sp. 1038). – Wie sich zeigt, wird das Wort meist pejorativ-abschätzig verwendet, es kann aber auch anerkennend oder liebevoll gebraucht werden.

 

Frage: Woher kommt das Wort Kaventsmann?
Antwort: Das Wort Kaventsmann (›großer, dickleibiger Mann‹ bzw. überhaupt ›großes Stück, großer Gegenstand‹) lässt sich zurückführen auf den Konventsmann, einen Mönch, der im Konvent (einer kleinen klosterähnlichen Einrichtung) lebt. Mönche (überhaupt Kleriker) stellte man sich gemäß allgemeinen Klischees als wohlgenährte, dicke Männer vor. – Kaventsmann ist westdeutsch und seit dem 19. Jahrhundert belegt.

 

Frage: Ein kastrierter Esel – also ein Wallach – wird umgangssprachlich anscheinend auch Macker oder Knilch genannt. In meinem etymologischen Wörterbuch konnte ich nichts dazu finden. Haben Sie vielleicht eine Idee, warum die Eselwallache zu diesen Bezeichnungen kamen?

Antwort: Leider können wir mit den uns zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln auch nicht wirklich weiterhelfen. Im Grimm’schen Wörterbuch fehlen beide Ausdrücke, was wohl dadurch zu erklären ist, dass sie erst nach der Veröffentlichung dieses Wörterbuchs bzw. der betreffenden Bände aufgekommen sind. Knilch ist wohl seit dem späten 19. Jahrhundert bekannt und könnte aus dem Rotwelschen (der „Gaunersprache“) entlehnt sein; das zehnbändige Dudenwörterbuch vermutet, dass es zu knollig (älter: knollicht) ›bäuerisch, grob‹ gebildet ist. Macker könnte, so das Wörterbuch der deutschen Umgangssprache von Heinz Küpper, aus dem Niederländischen übernommen und über die Seemannssprache im späten 18. Jahrhundert bei uns eingedrungen sein; verbreitet ist es aber erst seit 1900, sehr häufig seit 1939.

Hinweise auf den Eselwallach sind uns nicht begegnet. Diese Verwendung von Knilch bzw. Macker ließe sich allenfalls so erklären, dass man die im Duden verzeichneten Bedeutungen berücksichtigt: Knilch steht demnach für einen ›unangenehmen, verachtenswerten Kerl‹ und Macker ebenfalls für ›Bursche, Kerl‹. Beide Ausdrücke sind also abschätzig, und vielleicht ist dieser Aspekt ausschlaggebend für die Bezeichnung des kastrierten Esels, den man wegen seiner nicht mehr vorhandenen Zeugungsfähigkeit verachtet. – Bei Macker könnte womöglich auch eine Ableitung von Macke ›Schaden, Defekt‹ vorliegen, das aus dem Hebräischen kommt: Der Eselwallach würde dann als der ›Schadhafte, nicht mehr Vollständige‹ bezeichnet.

Frage: Anlässlich eines Kongresses zum Thema Konfliktmanagement möchten wir klären, ob die richtige Bezeichnung für den Teilnehmer an einem Mediationsverfahren Mediand oder Mediant lautet.

Antwort: Beide Varianten, die mit d und die mit t, finden sich in der Literatur und im Internet. Zu Häufigkeiten lassen sich keine Angaben machen, da bei der Suche nach Mediant u. a. auch der musikwissenschaftliche Terminus Mediante ausgeworfen wird, wodurch die Suchergebnisse verzerrt werden. Es kann also nicht festgestellt werden, ob die d- oder die t-Form „beliebter“ ist.

Freilich handelt es sich nicht lediglich um eine bloße Rechtschreibvariante, sondern um einen grammatischen Unterschied, genauer: einen Unterschied der Wortbildung. Der Stamm Media- ist jeweils abgeleitet von dem lateinischen Verb mediare (›vermitteln‹), in dem das substantivierte Adjektiv medium (›das Mittlere, die Mitte‹) steckt. Die nd-Form Mediand/Mediandin ist abgeleitet von der Gerundivform des Verbs: mediandus/-a/-um (›der/die/das zu Vermittelnde, der/die/das, was man vermitteln soll oder muss‹). Demgegenüber lässt sich die nt-Form auf das Partizip Präsens Aktiv desselben Verbs zurückführen: medians, mediantis (›der/die/das Vermittelnde, der/die/das, was vermittelt‹). Der semantische Unterschied zwischen den beiden Ausdrücken lässt sich also folgendermaßen angeben: Ein Mediand/eine Mediandin ist Gegenstand, Objekt eines Vermittlungsverfahrens, ein Mediant/eine Mediantin ist Subjekt, d. h., er/sie vermittelt selbst. Mediant/-in ist von seiner grammatischen Bedeutung her also gleichbedeutend mit Mediator/-in.

Die grammatische Unterscheidung ist in der Fachwelt offenbar seit längerem bekannt; so findet sich beispielsweise im Internet unter http://www.adr-blog.de/?p=246 eine interessante Diskussion aus den Jahren 2007 bis 2010, bei der es genau um die Frage der aktiven Rolle geht. Gut bringt es dieser Diskussionsbeitrag auf den Punkt:

„Zwar spricht die aktive Rolle der Kunden dafür, sie ‚Medianten‘ zu nennen. Allerdings besteht ihre Rolle nicht darin, zu mediieren. Vermitteln tut der Mediator. Jede Annäherung der Parteien aneinander hat aus ihrer Sicht nichts ‚Vermittelndes‘ an sich (sie stehen nicht in der Mitte von zwei Seiten). Daher werden sie (trotz ihrer aktiven Rolle) mediiert und sollten m. E. auch als Medianden bezeichnet werden. Ansonsten wird die Rollenverteilung unklar.“
    Der Einwand dagegen lautet: Es „werden ja nicht die Medianten vermittelt (wie in einer Partnerbörse), sondern es wird zwischen diesen vermittelt. Nicht die Medianten werden mediiert, sondern der Konflikt bzw. die gegenläufigen Interessen. Die Medianten sind also nicht Gegenstand, sondern Teilnehmer der Mediation.“

Rein grammatisch muss dieser Einwand nicht ins Gewicht fallen. Zwar werden in der Tat nicht die Personen durch den Mediator vermittelt, aber ihre Positionen; Mediand/-in ließe sich dann mit ›eine Seite oder Position in einem Mediationsprozess‹ übersetzen, und dann könnte man metonymisch (in Übertragung von der Position auf die Person, die für diese Position steht) ohne weiteres auch den Teilnehmer/die Teilnehmerin am Mediationsprozess Mediand/-in nennen. Wer vom Lateinischen her denkt, wird dieser Schreibung sicherlich den Vorzug geben.

Man darf dabei allerdings einen wichtigen Punkt nicht aus den Augen verlieren: Es geht hier nicht um die Frage „Wie wäre es im Lateinischen richtig?“, sondern um die Frage: „Was will man in der deutschen Fachsprache mit dem Terminus ausdrücken?“ Hier kann die Sprachwissenschaft nicht kompetent entscheiden; sie würde sich in Sachfragen mischen, die sie nicht beurteilen kann. Wenn tatsächlich die aktive Rolle des Medianten/der Mediantin so gesehen wird, dass er oder sie selbst die Vermittlung leistet und sich des Mediators oder der Mediatorin nur als einer Hilfe bedient, dann spricht auch aus sprachwissenschaftlicher Sicht nichts dagegen, die t-Variante zu verwenden.

Mit anderen Worten: Ob Mediand/-in oder Mediant/-in ‚richtig‘ ist, kann nicht linguistisch entschieden werden, sondern sollte von Mediationsexpert(inn)en geklärt werden. Wir empfehlen Ihnen, die Frage auf Ihrem Kongress zu diskutieren. Möglicherweise ergibt sich ein Konsens, der sich zukünftig auf den fachlichen Sprachgebrauch auswirken kann.

 

Frage: Kürzlich stieß ich auf das Wort Milchsette (ein Milchgefäß – aber Sette?). Das können Sie mir sicher erläutern.

Antwort: Das Wort Sette oder Satte ist wohl zu niederdeutsch setten (›setzen‹) gebildet, bedeutet also eigentlich ›Gefäß, in dem die Milch sich setzt‹. Es wird vor allem in Norddeutschland verwendet. Im Grimm’schen Wörterbuch findet sich folgende Erläuterung:

„Milchnapf, Napf, in welchem die Milch hingestellt wird, damit der Rahm sich ansetzen kann. Ein niederdeutsches Wort (Ableitung zu setzen), das erst spät (durch [Johann Heinrich] Voss) in die Schriftsprache eingedrungen ist.“

Im großen Duden erscheint die Milchsette oder überhaupt die Sette nicht. Die Satte hingegen ist verzeichnet. Wer nicht weiß, dass Sette und Satte das Gleiche ist, sucht daher vergebens und muss den Umweg über das Deutsche Wörterbuch („den Grimm“) nehmen. Dort findet man unter Sette nicht nur die Angabe, dass es sich a) um ein Milchgefäß und b) um einen Brotkorb handeln kann, sondern man findet auch den Verweis auf Satte, wo dann die oben zitierten Erläuterungen folgen.

Frage: Bei einer Gesprächsrunde fiel das Wort Muttersprache. Woher es kommt, lässt sich ja leicht erklären. Aber wieso „Vater“land und „Mutter“sprache?
Antwort: Wie Sie selbst schreiben, liegt die Erklärung für das Wort Muttersprache auf der Hand, wenn man davon ausgeht, dass die Mutter derjenige Mensch ist, zu dem ein Kind in den ersten Lebensjahren den engsten Kontakt hat und von dem es daher die Sprache erlernt. Dies war zwar nicht zu allen Zeiten und nicht in allen Kulturen so: Man konnte Kinder auch von Ammen betreuen lassen und später dann in die Obhut von Verwandten und/oder bezahlten Erziehern geben. Aber Muttersprache ist eine Lehnübersetzung des lateinischen lingua materna, und bei den alten Römern (d. h. denen der vorklassischen Zeit) war es tatsächlich die Mutter selbst, die sich in den ersten Jahren um die Kinder kümmerte. – Das Wort Vaterland hat ebenfalls ein lateinisches Vorbild, nämlich patria. Dabei nun handelt es sich um einen Rechtsterminus, als dessen Hintergrund man sich eine streng patriarchalisch ausgerichtete Gesellschaftsordnung denken muss. Die Mutter war nur dafür zuständig, Kinder zur Welt zu bringen und in den ersten Jahren zu betreuen; für alle rechtlichen Aspekte der Abstammung und Herkunft war der Vater die Bezugsperson. – Unabhängig von dieser historischen Erklärung findet man im Volksmund bisweilen folgende (augenzwinkernde) Darstellung: Es heißt Muttersprache, weil der Vater zu Hause nichts zu sagen hat.

 

Frage: Namen sind universell und alltäglich. Aber woher kommt das Wort Name wohl ursprünglich?
Antwort: Es ist ein sehr altes Wort, das in allen germanischen Sprachen, aber auch im Griechischen (onoma), im Lateinischen (nomen), im Russischen (ímja), im Altiranischen (ainmm) und im Altindischen (náma) vorkommt. Zurückgehen dürfte es auf ein indoeuropäisches Wort *en(o)men-, *nomen-, das in verschiedenen Ablautformen vorliegt. Früher nahm man an, dass Name von nehmen käme; ein Name sei, was man nehme, zur Gabe empfange. Folgerichtig wurde das Wort häufig mit h geschrieben: Nahme. Dass diese Herleitung nicht zutrifft, gibt schon die heute bekannte Rechtschreibregel »Wer nämlich mit h schreibt, ist dämlich« zu erkennen. Einen interessanten etymologischen Zusammenhang vermutet demgegenüber Matthias Lexer im Grimmschen Wörterbuch (Bd. 7, Leipzig 1889, Sp. 322): Das zugrunde liegende Wort habe im Indoeuropäischen im Anlaut ein g gehabt, das aber schon sehr früh geschwunden sei (relikthaft erhalten noch im lat. co-gnomen). Damit bestünde eine Urverwandtschaft zu Wörtern wie griech. gignoskein ›erkennen, wissen‹, gnosis ›Wissen, Kenntnis‹, lat. (g)noscere ›erkennen, wissen‹, aber auch zu deutschen Wörtern wie kennen, können und Kunst. Demnach wäre die ursprüngliche Bedeutung von Name mit ›Kennzeichen, unterscheidendes Merkmal‹ anzugeben. Ob die Dinge tatsächlich so liegen, ist nicht sicher: Die gängigen etymologischen Wörterbücher der Gegenwart erwähnen Lexers These nicht.

 

Frage: Wann und wo ist Nazi als Bezeichnung für Anhänger Hitlers zuerst belegt?
Antwort: Im Illustrierten Lexikon der deutschen Umgangssprache von Heinz Küpper (Stuttgart 1984) steht – sinnge­mäß übereinstimmend auch mit dem Historical Dictionary of German Figurative Use von Keith Spalding (Oxford 1984) –: „Die Verkürzung ‚Nazi‘ bezog sich 1903 auf die ‚Nationalsozialen‘ unter Friedrich Naumann. Für den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten erstmals (?) belegt bei Kurt Tucholsky 1923. Jedenfalls ist nicht NS-Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels der Schöpfer“ (S. 2021). – Die erste bekannte Verwendung des Wortes Nationalsozialist ist übrigens noch älter; Cornelia Berning (Vom „Abstammungsnachweis“ zum „Zuchtwart“. Vokabular des National­sozia­lismus, Berlin 1964, S. 138) weist sie 1887 im Deutschen Adelsblatt nach. Unter der Überschrift „Fürst Bismarck der erste Nationalsozialist“ heißt es dort: „Der Staat ist ihm nicht nach dem heutigen Parteiwesen eine Summe von Einzel­willen, sondern der Gesamtwillen als Ausdruck des Nationalgeistes. Deshalb kennt er aber, wie nur Einen Gott, auch für die Gegenwart nur einen vernünftigen Parteibegriff, nämlich, so könnte man sagen, den Nationalsozialismus mit dem Einen Programm des christlichen Gebots der Gerechtigkeit und der Liebe. Den ersten Repräsentanten solcher Einheits-Nationalpartei hat man im Fürsten Bismarck zu erkennen.“ – Einige wenige Nazi-Belege für die Zeit nach 1945, meist Hinweise darauf, dass das Wort als Fremdwort im Englischen, auch im Französischen oder im Türki­schen zu finden ist, bietet das Archiv der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden. Eine Anfrage beim In­sti­tut für Zeitgeschichte in München brachte überhaupt keine Ergebnisse. – Eine vielleicht interessante Randbemerkung zur neueren Geschichte des Wortes im Ausland: In der Kölnischen Rundschau vom 18. 9. 1998 stand ein Artikel über deutsche Fremdwörter im US-Amerikanischen, der unter anderem folgenden Abschnitt enthielt: „Eine befremd­liche Karriere hat [...] das Wort ‚Nazi‘ gemacht. In den nördlichen US-Bundesstaaten versteht man darunter wertfrei jede Art von Fanatiker. Ein ‚tobacco nazi‘ ist ein leidenschaftlicher Raucher, ein ‚jazz nazi‘ ein Jazz-Fetischist.“ – Allerdings ist diese Information wohl teilweise falsch. Wie ein US-amerikanischer Kollege, Professor Colin McLarty von der Case Western Reserve University in Cleveland, Ohio, anmerkt, ist ein tobbaco Nazi „not someone who enjoys smoking, but someone who rigorously enforces anti-smoking rules“, also nicht jemand, der gern raucht, sondern der rigoros die Einhaltung von Rauchverboten erzwingt. Häufiger als tobacco Nazi sei daher anti-tobacco Nazi; aber beide Ausdrücke seien gleichbedeutend. Und ein jazz Nazi sei nicht lediglich ein passionierter Jazzliebhaber, sondern intolerant gegenüber jeder anderen Art von Musik. Man wird daher das amerikanisch-englische Wort Nazi am ehesten mit ›Fanatiker‹, ›Extremist‹ oder ›Fundamentalist‹ übersetzen müssen und also doch nicht als wertneutral bezeichnen können.

 

Frage: Das Adverb nichtsdestotrotz höre und lese ich in letzter Zeit immer häufiger in standardsprachlichen, durchaus ernst gemeinten Zusammenhängen. Ich glaube mich aber zu erinnern, dass es eine scherzhafte Bildung von Heinz Erhardt (irgendjemand behauptete auch einmal: von Kurt Tucholsky) ist, die sich als solche eben nicht für seriöse Texte eignet.

Antwort: Bei Tucholsky (und ebenso bei Karl Kraus, an den man in Zusammenhängen wie diesem gleichfalls denken könnte) findet sich für nichtsdestotrotz kein einziger Beleg; Tucholsky verwendet an einer Stelle nichtsdestoweniger und an einer anderen die französische Entsprechung néanmoins, Kraus hat zweimal nichtsdestoweniger.

Demgegenüber ist in der Tat die Auffassung verbreitet, der Komiker Heinz Erhardt habe das Wort als scherzhafte Mischbildung (linguistisch gesprochen: Kontamination) von nichtsdestoweniger und trotzdem geprägt. Das zehnbändige Duden-Wörterbuch erklärt nichtsdestotrotz auf eben diese Weise – allerdings ohne Nennung Heinz Erhardts.

Ein Erhardt-Beleg ist auch uns leider nicht verfügbar, so dass wir die Annahme nicht überprüfen können. Es ist freilich keineswegs auszuschließen, dass die Vermutung zutrifft, er habe nichtsdestotrotz populär gemacht. Dass er das Wort als Erster gebraucht hat, ist aber sicherlich nicht zutreffend. Denn bereits 1908 ist es in der Zeitschrift Ost und West (Jahrgang 8, Heft 11) nachweisbar: „nichtsdestotrotz liessen sich […] einige Angaben […] berichtigen“. Auf der Titelseite der Zeit (Nr. 22/1952) verwendet es Marion Gräfin Dönhoff („nichtsdestotrotz […] drohte ihm die Besatzungsbehörde mit erneuter Verhaftung“).

Ebenso wie diese beiden Zitate lässt auch die große Masse der uns vorliegenden Belege (es handelt sich insgesamt um mehrere Tausend) erkennen, dass nichtsdestotrotz seit vielen Jahren tatsächlich als Eins-zu-eins-Entsprechung der älteren Adverbien nichtsdestoweniger und nichtsdestominder gebraucht wird. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (Bd. 7, erschienen 1889) liest man über diese beiden Wörter, dass sie dem lateinischen nihilominus bzw. dem französischen néanmoins nachgebildet sind und zur nachdrücklichen Hervorhebung eines Adversativsatzes dienen, ebenso wie trotzdem, dessenungeachtet und gleichwohl. Nichtsdestotrotz ist im Grimm nicht verzeichnet.

Will man rein quantitativ argumentieren, so muss man feststellen, dass nichtsdestotrotz in der heutigen deutschen Sprache durchaus gebräuchlich ist. Wer allerdings Sprachgefühl erkennen lassen will oder (z. B. aus beruflichen Gründen) erkennen lassen sollte, der ist wohl gut beraten, die im Duden, aber auch im Wahrig verzeichnete Markierung „scherzhaft, umgangssprachlich“ ernst zu nehmen.

 

Frage: Woher kommt der Ausdruck Null-acht-fünfzehn?
Antwort:Null-acht-fünfzehn (›übliches Schema, veraltete Handlungsweise, sinnentleertes Herkommen, Durchschnittstrott‹) leitet sich von dem 1899 im deutschen Heer eingeführten Maxim-Maschinengewehr her, das in den Jahren 1908 („08“) und 1915 („15“) jeweils entscheidende Verbesserungen erfuhr. In diesem Sinne ist 08/15 seit etwa 1920 in der deutschen Umgangssprache geläufig; der Bedeutung ›Durchschnitt, Einerlei, Stumpfsinn‹ liegt wohl die ständig wiederholte Instruktion am Maschinengewehr zugrunde. – Populär wurde der Ausdruck Null-acht-fünfzehn seit etwa 1958 durch die gleichnamige Roman- und Filmtrilogie von Hans Hellmut Kirst (1954).

 

Frage: Woher kommt die doppelte Null als Kennzeichnung für das WC?
Antwort: Seit ungefähr 1900, als diese Kennzeichnung in Hotels mit Etagen-Toiletten zuerst aufkam, ist sie ein Hinweis darauf, dass der hinter der so bezeichneten Tür liegende Raum kein Zimmer ist. Das WC ist also das ›Zimmer Nummer Null‹, ein Raum, der im Raumverteilungsplan sozusagen nicht mitzählt.

 

Frage: Woher kommt eigentlich das Wort Ostern?

Antwort: Die Sprachwissenschaft ist sich, wie so oft bei etymologischen Fragen, nicht einig. Es gibt mindestens drei Theorien:

1) Jacob Grimm nahm an, es habe eine germanische Frühlingsgöttin namens Ostara gegeben, von der das „Frühjahrsfest“ Ostern seinen Namen habe. Diese Ansicht gilt allerdings heute als überholt, da eine solche Göttin nicht nachweisbar ist.

2) Ostern hat etwas mit dem Wort Osten zu tun. Letzteres bildet gemeinsam mit lateinisch auster (›Südwind‹), altslavisch zaustra (›Morgen‹) und griechisch Eos/lateinisch Aurora (›Morgenröte‹) eine Wortsippe. Ostern wäre demnach das Fest des Morgens, des Sonnenaufgangs (was allerdings theologisch nicht zutrifft: Beim Osterfest steht die Nacht, nicht der Morgen im Mittelpunkt).

3) Jürgen Udolph (Leipzig) schlägt vor, Ostern mit Wörtern wie altnordisch ausa (›Wasser schöpfen, gießen‹) und austr (›begießen‹) in Verbindung zu bringen. Das Wort Ostern könnte demnach etwas mit der Taufe zu tun haben: Diese war im frühen Christentum mit dem Osterfest verbunden. Das dreimalige Begießen mit Wasser würde hier auch den Plural (die Ostern ›Begießungen‹) erklären, der sonst auf die Tatsache bezogen werden müsste, dass das Fest mehrtägig ist.

 

Frage: Woher kommt das Wort Schäferstündchen?
Antwort: Es ist eine Lehnübersetzung aus dem französischen heure du berger, die im Deutschen seit 1711 belegt ist und wahrscheinlich auf die so genannte galante bukolische Dichtung oder Schäferdichtung im 17. und 18. Jahrhundert zurückgeht. Le berger kann im Französischen nicht nur ›Schäfer‹ heißen, sondern auch ›Abendstern (Planet Venus)‹ und ›Liebhaber‹. Das Schäferstündchen lässt sich inhaltlich fassen als ›tête-à-tête (und mehr) in der chambre separée (oder natürlich auch auf freiem Feld, im Wald oder sonst wo)‹.

 

Frage: In einem älteren Text las ich kürzlich das Wort Schrittschuh. Was könnte damit gemeint sein, ein Schlittschuh?
Antwort: Das Wort Schrittschuh ist in der Tat eine ältere Bezeichnung für das, was wir heute Schlittschuh nennen. Im Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm liest man dazu Folgendes (in originaler Schreibung): „die alte sprache kennt ausschlieszlich die bildung schrittschuh zum verb. schreiten, schuh zu weitem schritt. [...] erst im nhd. [= Neuhochdeutschen] wurde älteres schrittschuh in anlehnung an schlitten umgedeutet und zu schlittschuh entstellt. [...] es ist wahrscheinlich, dasz sich diese umbildung [...] im laufe des 17. jahrh. vollzogen hatte und an ausdehnung gewann.“ – Im 18. Jahrhundert konnte man dann beide Formen gleichberechtigt nebeneinander verwenden, wie ein Brief des begeisterten Schlittschuhläufers Goethe an seinen Herzog Carl August (24. 12. 1775) beweist: „Unser Bote ist noch nicht da, der Schrittschuhe mitbringt, ihm sind tausend Flüche entgegen geschickt worden [...] – Der Bote ist da, und nun aufs Eis. [...] – Die Schlittschue sind vergessen, ich habe gestrampft und geflucht, und eine Viertelstunde am Fenster gestanden und gemault, nun laben sie mich mit der Hoffnung es käm noch ein Bote nach. Muß also ohne geschritten zu Tische – Abends viere. Sind gekommen, habe gefahren und mir ists wohl.“ (Weimarer Ausgabe, IV. Abt., Bd. 3, S. 10.) – Im 19. Jahrhundert ist Schrittschuh dann allmählich unüblich geworden. In niederdeutschen und mitteldeutschen Mundarten findet sich das Wort allerdings noch lange danach. Andere mundartliche Bezeichnungen sind Glittschuh und Schleifschuh.

 

Frage: Ein Freund gebrauchte kürzlich das Wort schwachmatisch; er meinte so viel wie ›schwach, schwächlich, kraftlos‹. Ich habe mit ihm gewettet, dass es das Wort nicht gibt. Habe ich Recht?
Antwort: Nein, nicht ganz. Das Wort schwachmatisch ist zwar „nur“ eine scherzhaft latinisierende bzw. gräzisierende Phantasiebildung (nach dem Vorbild von rheumatisch, phlegmatisch usw.). Es existiert aber trotzdem, und zwar als Adjektiv zu dem schon seit mindestens 1820 bekannten Substantiv Schwachmatikus (bzw. Schwachmaticus: so im Grimm’schen Wörterbuch). Der zehnbändige Duden von 1999 zitiert einen Beleg aus dem Mannheimer Morgen von 1969. Aber auch Thomas Mann verwendete das Wort, und zwar beispielsweise in seinem 1947 erschienenen Roman Doktor Faustus (Gesammelte Werke in 13 Bänden, Bd. 6, S. 388).

 

Frage: Wieso sagt man, wenn jemand eine Vorahnung hat, dass ihm etwas schwant? Ist der Schwan im Volksglauben ein Vogel mit Zukunftsahnung?
Antwort: Ob die Wendung etwas mit dem Schwan zu tun hat, ist nicht geklärt. Sie findet sich zuerst im Mittelniederdeutschen (Braunschweig 1514), aber in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts auch schon im Hochdeutschen. Möglicherweise liegt das Verb wanen ›wähnen, ahnen‹ zugrunde, wobei zwischen einem vorgestellten Personalpronomen und diesem Verb die Wortgrenze sich verschoben hat (mir’s wanet > mir swanet. Ähnliches ist – in umgekehrter Richtung – bei dem Wort Otter (›Schlange‹) eingetreten, das auf Natter zurückgeht. Hier wurde das anlautende n als Ende eines vorangehenden unbestimmten Artikels empfunden (ein[e] Atter); das a im vermeintlichen Anlaut wurde zu o verdumpft. – Eine andere Herleitungsmöglichkeit bringt doch den Schwan ins Spiel: Der Wendung könnte neulateinisch olet mihi (›es ahnt mir‹, von lat. olere, ›riechen, sich durch Geruch bemerkbar machen‹) zugrunde liegen. Von Gelehrten der frühen Neuzeit könnte dieses Verb scherzhaft an das lateinische Wort für den Schwan, olor, angeschlossen worden sein, so dass schwanen die „wörtliche“ Übersetzung von olere wäre.

 

Frage: Nach meinen bisherigen Kenntnissen stammt das Wort stockdunkel aus dem Mittelalter. Die Fessel, die in den damaligen Gefängnissen benutzt wurde, nannte man damals Stock und da es in den Gefängnissen sehr dunkel war, etablierte sich der Ausdruck stockdunkel. Stimmt das?

Antwort: Nach dem Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (dem größten historischen Wörterbuch der deutschen Sprache) geht die Erklärung in dieselbe Richtung, die Sie bereits recherchiert haben. Stockdunkel (bekannt seit dem 17. Jahrhundert) bedeutet analog zu dem älteren stockfinster (bekannt seit dem 16. Jahrhundert) so viel wie ›völlig dunkel‹, eigentlich ›so dunkel, wie es im Stock (im Gefängnis) ist‹. Beim ersten Bestandteil (eben stock) handelt es sich jedoch „zuletzt [um] ein völlig unbewußt gewordenes Vergleichsmoment“. — Ohne die ‚eigentliche‘ Bedeutung kommt das Etymologische Wörterbuch des Deutschen von Wolfgang Pfeifer aus: Aus Vergleichen wie mittelhochdeutsch stille alsam ein stoc (›still wie ein Stock, ein Stück totes Holz‹) entwickelt sich stock- zu einem verstärkenden Kompositionselement zunächst bei Adjektiven (z. B. stockblind, stockdumm, stocktaub, stockreaktionär ...), später auch bei Personenbezeichnungen, die einen Menschen als befangen (›verstockt‹) in den Absichten, Anschauungen, Überzeugungen seines Landes, Stammes, Standes o. Ä. charakterisieren sollen (Stockengländer, Stockpreuße, Stockaristokrat, Stockkatholik, Stockkonservativer ...). – Demnach wäre die Assoziation ›Gefängnis‹ bei stockdunkel keine ursprüngliche, sondern eine nachträgliche zur Erklärung des Wortes. Die Sprachwissenschaft nennt so etwas eine Remotivierung. — Einige Indizien (insbesondere die dürftige Beleglage im Grimm) sprechen dafür, dass Pfeifer richtig liegt; beweisen kann man es allerdings leider nicht, wie so oft bei etymologischen Fragen.

Frage: Die heute allgegenwärtigen Bemühungen um geschlechtergerechten Sprachgebrauch führen unter anderem zur Vermeidung männlicher Formen; man liest und hört dafür seit einiger Zeit häufig entweder die Doppelform (Studentinnen und Studenten) oder auch, wo das grammatisch möglich ist, die Partizipform (Studierende). Letzteres ist aber nicht äquivalent, weil es einen Unterschied gibt zwischen einem Studenten/einer Studentin (das ist eine Person, die an einer Universität immatrikuliert ist) und einem/einer Studierenden (das ist ein Student oder eine Studentin nur dann, wenn, er oder sie tatsächlich gerade studiert, nicht aber beispielsweise in der Mensa oder in der Freizeit). Sehen Sie das auch so?
Antwort: Diese Sichtweise ist weit verbreitet: Das Partizip Präsens oder Partizip I sei ausschließlich Ausdruck für die Tatsache, dass ein in einem Verb zum Ausdruck gebrachtes Handeln, Geschehen oder Sein gerade stattfindet. Ein nachdenkender, einschlafender oder herumstehender Mensch ist ein Mensch, der aktuell nachdenkt, einschäft oder herumsteht. Das ist aber keineswegs bei allen substantivierten Partizipien ausnahmslos der Fall, sondern hängt schlicht vom Einzelwort ab. In Fällen wie der/die Vorsitzende (beispielsweise eines Vereins) ist das Amt als solches gemeint, nicht die aktuelle Ausübung desselben: Vorsitzende/r bin ist, solange ich gewählt bin, nicht nur dann, wenn ich eine Sitzung leite. Bei Studierende findet sich die Äquivalenz zu Studenten spätestens im 17. Jahrhundert. Goethe verwendet beide Wörter synonym, und Studierender geringfügig häufiger als Student. In Ludwig Tiecks Dichterleben (2. Teil, erschienen 1831) liest man: „An einem warmen und heitern Sommertage stand der Wirth zur Krone in Oxford in der Thür seines großen Hauses, um die Kühlung zu genießen. Die Studirenden wandelten in ihren Mänteln im Schatten der Häuser, um sich vor der Stadt zu ergötzen.“ Gemeint sind hier zweifellos Studenten, obwohl sie gerade nicht studieren. — Eine ausführliche Darstellung, insbesondere auch zu Studenten/Studierende, findet sich bei Helmut Glück, Das Partizip I im Deutschen und seine Karriere als Sexusmarker. Paderborn 2020.

 

Frage: Neulich las ich, dass Regina Abelt, die deutsche Frau des ehemaligen äthiopischen Präsidenten Negasso Gidada eine „taffe“ Entwicklungshelferin sei. Sie ist tüchtig, couragiert, engagiert – wir haben schon ein paar Fremdwörter dafür. Die eindeutschende Schreibweise taff für englisch tough finde ich interessant. Was halten Sie davon?
Antwort: Ganz so groß wie gemeinhin angenommen ist der englische Einfluss auf das Deutsche nicht. Das Adjektiv taff ist nicht, wie immer wieder mal vermutet wird, eine eindeutschende Schreibung des englischen tough, sondern kommt von jiddisch toff, das wiederum auf hebräisch tôv (›gut‹) zurückgeht. Dem Großen Wörterbuch der deutschen Sprache des Dudenverlags zufolge gehört taff zur saloppen Stilebene; es hat die Bedeutung ›hart, robust‹.

 

Frage: Im Zusammenhang mit Computer und Internet las ich neulich ein Wort, mit dem ich nichts anfangen konnte: Gefordert wurde, einen Thread zu beenden. Was ist damit gemeint? Hat es etwas mit ›drohen‹ zu tun; wird das Internet vielleicht als Bedrohung verstanden?
Antwort: Das englische Substantiv thread bedeutet eigentlich so viel wie ›Faden, Zwirn, Garn‹ und ist verwandt mit dem deutschen Draht. Mit dem englischen threat (›Drohung‹) hat es nichts zu tun. Im Zusammenhang mit Computer und Internet steht das Wort für den ›Gesprächsfaden‹ in einem der vielen Internet-Gesprächskreise (so genannten Newsgroups oder Chatforen), bei denen jeder Teilnehmer zu Hause, in einem Internet-Cafe oder – vom Arbeitgeber in der Regel nicht gerne gesehen – im Büro vor seinem Computer sitzt und per Online-Verbindung mit anderen Teilnehmern kommuniziert. Faktisch läuft dies so ab, dass jeder seinen Redebeitrag per Tastatur eingibt und abschickt; die Beiträge erscheinen dann in der Reihenfolge, in der sie beim Forum eingegangen sind, auf jedem einzelnen Teilnehmerbildschirm. Solche virtuellen Gespräche können sich – je nach Art des Forums – über längere Zeiträume (Tage, Wochen, Monate ...) hinziehen. Die Summe aller themenbezogenen Beiträge in ihrer chronologischen Abfolge nennt man den Thread. In Ihrem Beispiel könnte man Thread vielleicht mit ›virtuelles Gespräch über ein bestimmtes Thema‹ übersetzen.

 

Frage: Warum nennt man die Engländer auch Tommys?
Antwort: Die Bezeichnung Tommy (›britischer Soldat, Engländer‹) kam 1837 im Zusammenhang mit einem kleinen Taschenbuch auf; es enthielt eine Tabelle der Ausrüstungsgegenstände, die die englischen Soldaten selbst bezahlen mussten; zum besseren Verständnis waren die Militärverwaltung als Lieferant und ein angenommener Soldat Thomas Atkins als Empfänger der Ausrüstung genannt. Dieser Name wurde in der Kurzform Tommy die volkstümliche Bezeichnung für den englischen Soldaten. Bei uns ist das Wort etwa seit 1900 (seit dem Boxeraufstand in China) verbreitet.

 

Frage: Was bedeutet das Wort Triskaidekaphobie?
Antwort: Das Wort kommt aus dem Griechischen; man spricht es „Tris-kai-deka-phobie“, und es bedeutet ›Angst vor der Dreizehn (als vermeintlicher Unglückszahl)‹.