Studie untersucht Klimaschutzstrategien von Kommunen
Eine neue Studie der Universitäten Vechta und Augsburg sowie des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) untersucht die Bedeutung von Suffizienz, also die Reduktion übermäßigen Ressourcenverbrauchs durch klimaschonende Verhaltensweisen, in den Klimaschutzkonzepten von 40 deutschen Vorreiterkommunen. Diese sogenannten Masterplan-Kommunen wurden bundesweit gefördert, um Vorreiter für den kommunalen Klimaschutz zu entwickeln.
Beispiele für Suffizienz sind der Umstieg von PKW auf den ÖPNV, die Reduktion der Pro-Kopf-Wohnfläche, oder die Reparatur von Geräten, statt eines Neukaufs. Für die Erreichung ambitionierter Klimaschutzziele ist Suffizienz unerlässlich, da technische Maßnahmen in der Regel nicht ausreichen und es hierbei außerdem häufig zu einer Verlagerung von Umweltschäden kommt.
Die Studie zeigt, dass Suffizienz, in den kommunalen Klimaschutzstrategien eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Häufig bleibt diese jedoch technologischen Lösungen untergeordnet. Darüber hinaus wird Suffizienz oft als eine private Angelegenheit verstanden, zu der die Kommune nur durch Sensibilisierung beitragen kann.
Allerdings werden klimarelevante Routinen stark durch unsere gebaute Umwelt, finanzielle Anreize oder gesetzliche Regelungen geprägt. Um die Suffizienzpotentiale auszuschöpfen, schlagen die Autorin und die Autoren deshalb vor, strukturelle Rahmenbedingungen gezielt anzupassen, um Suffizienz im Alltagshandeln vor Ort zu fördern oder überhaupt zu ermöglichen.
Die Studie von Janes Grewer, Markus Keck und Jana Zscheischler stellt fest, dass Suffizienz als Strategie insbesondere auf kommunaler Ebene an Bedeutung gewinnt. Dennoch bleibt sie trotz großer Potentiale meist ein ergänzender Ansatz zu technologischen Maßnahmen wie der Nutzung erneuerbarer Energien oder Effizienzsteigerungen. Die Forschenden identifizierten vier Typen von Suffizienzansätzen in kommunalen Klimaschutzkonzepten: Technophile, Privatisierer, Visionäre und Rahmengeber.
- Technophile:
Für diese Kommunen spielt Suffizienz im Vergleich zu technologischen Strategien keine oder eine stark untergeordnete Rolle.
- Privatisierer:
Hier wird Suffizienz als private Praxis des Energiesparens gesehen, ohne strukturelle Maßnahmen auf kommunaler Ebene. Kommunale Maßnahmen bleiben hier vor allem auf Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Bevölkerung beschränkt.
- Visionäre:
Diese Kommunen sehen Suffizienz als zentralen Bestandteil eines gesellschaftlichen Wertewandels, streben aber kaum konkrete Maßnahmen an. Die Strategien dieser Kommunen legen den Fokus vor allem auf die Förderung von Nischenakteuren, die den Wertewandel vor Ort beschleunigen sollen.
- Rahmengeber:
Sie erkennen Suffizienz als eine zentrale handlungsleitende Klimaschutzstrategie an und sehen Suffizienz als politisches Handlungsfeld, das in verschiedene klimaschutzrelevante Sektoren integriert wird.
Der Vergleich der verschiedenen Typen zeigt, dass zwar viele der Vorreiter-Kommunen inzwischen auch auf Suffizienz setzen. Allerdings wird es meist vor allem als eine Aufgabe des Einzelnen gesehen, sich klimafreundlicher zu verhalten oder Wertevorstellungen zu hinterfragen. Hierbei bleibt unberücksichtigt, dass strukturelle Rahmenbedingungen das suffiziente Verhalten vielfach erschweren, wie beispielsweise die Organisation des Verkehrssystems im ländlichen Raum, die Struktur des Gebäudebestands, oder fehlende Angebote und Anreize für nachhaltigen Konsum.
Aus Sicht der Autorin und der Autoren sind deshalb zwei Aspekte wichtig, um Suffizienz im kommunalen Handeln erfolgreich zu verankern:
- Es ist wichtig, gemeinsame Zukunftsvorstellungen darüber zu entwickeln, wie ein klimaschonendes und gerechtes Zusammenleben in der Kommune aussehen soll. Solche Visionen sind wichtig, um über mögliche Zukünfte auch außerhalb der bestehenden Bahnen nachzudenken. Der Kommunen-Typ der „Visionären“ setzt hier besonders stark an.
- Darüber hinaus sollte der Suffizienzgedanke handlungsleitend in allen klimarelevanten Strategien und konkreten Maßnahmen mitgedacht werden, um schon jetzt die vorhandenen Potentiale zu heben, z.B. im Zuge der Entwicklung von Wohngebieten oder im Rahmen der Wirtschaftsförderung. Nur wenige Kommunen (Typ der „Rahmengeber“) verstehen Suffizienz in diesem Sinne als eine gesellschaftliche Aufgabe, für die entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.
Janes Grewer, Geograph an der Universität Vechta und am VISTRA (Vechta Institute of Sustainability Transformation in Rural Areas), erklärt: „Unsere gemeinsame Forschung zeigt, dass Kommunen eine wichtige Rolle für die Umsetzung von Suffizienz als bedeutende Klimaschutzstrategie spielen können. Allerdings reicht es nicht aus, die Verantwortung für Suffizienz allein auf die Bürgerinnen und Bürger zu übertragen. Vielmehr bedarf es gemeinsamer Visionen für eine klimagerechte Kommune und konkreter struktureller Maßnahmen vor Ort, um das volle Potenzial dieser Strategie auszuschöpfen.“
Die Studie zeigt, dass Suffizienz als integraler Bestandteil der Klimaschutzpolitik anerkannt und gefördert werden muss, um transformative Veränderungen zu erreichen und nachhaltige Praktiken auf kommunaler Ebene zu etablieren. Zudem liefert die Studie, die zum Teil vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Nachwuchsforschungsgruppe „BioKum“ sowie durch den Publikationsfonds „NiedersachsenOpen“ im Rahmen der Förderung „zukunft.niedersachsen“ gefördert wurde, wertvolle Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung kommunaler Klimaschutzstrategien.
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