Tabea Janson kommt gebürtig aus der Pfalz und hat an der Universität Vechta den Masterstudiengang Kultureller Wandel (heute Kulturwissenschaften) studiert. Die 31-Jährige arbeitet derzeit als Referentin für politische Bildung. Wir stellen Tabea Janson vor:
Ich arbeite jetzt:
Seit Oktober 2020 bin ich bei der Domberg-Akademie in Freising bei München als Referentin für gesellschaftliche Bildung tätig. Die Domberg-Akademie ist kirchliche Stiftung für Erwachsenenbildung und bietet vielfältige außerschulische Bildungsformate an. Ich betreue die Themenfelder gesellschaftspolitische Bildung, Demokratie und Bildung für Nachhaltige Entwicklung.
Meine Aufgaben dort sind:
Neben klassischen Bildungsformaten wie Seminare und Vorträge betreue ich einige Projekte. In der Praxis heißt das, dass ich gemeinsam mit verschiedenen Kooperationspartnern an neuen Bildungsformaten arbeite. Beispielsweise entwickeln wir mit der Hochschule Weihenstephan ein Escape Game zum Thema Klimawandel; mit den katholischen Hilfswerken setze ich gerade ein Kunstprojekt zum Thema Frieden um. Meine Aufgabenbereiche sind also genau das, was man oft in Stellenanzeigen liest: vielseitig.
Sie arbeiten in einem interdisziplinären Team: Theologie, Theaterwissenschaft, Politikwissenschaft und Marketing treffen hier aufeinander. Welche Fähigkeiten bringen Sie als Kulturwissenschaftlerin ein?
Als Kulturwissenschaftlerin bin ich mit dem interdisziplinären Arbeiten quasi groß geworden. Sowohl im Bachelor als auch im Master sind wir mit einer Vielzahl von wissenschaftlichen Fächern in Berührung gekommen, haben Verbindungen gesucht und so neue Sichtweisen einnehmen können. Diese Fähigkeit ist für mich seit dem Einstieg ins Berufsleben eine große Hilfe und Ressource.
Zum Beginn meiner Studienzeit vor zehn Jahren wurden wir noch als Generalist*innen belächelt, heute ist klar welche Multitalente durch diesen Studiengang entstehen. Das Einarbeiten in neue und fachfremde Inhalte gelingt mir dank des Studiums leichter und schneller. Auch beruflich sehe ich die Wandelbarkeit als große Stärke, um für sich selbst immer wieder neue Berufsfelder zu entdecken.
Seit Jahren arbeiten Sie erfolgreich in der außerschulischen politischen Bildung. Wie muss gelungene politische Bildung aussehen, um junge Menschen zu mündigen Demokrat*innen zu machen?
Neugierig – Inklusiv – Mutig
Das so genannte lebenslange Lernen, zudem auch die politische Bildungsarbeit zählt, sollte erfrischend anders sein. Themen aus neuen Blickwinkeln betrachten, mit Methoden und Formaten experimentieren, Wissenserwerb auf Augenhöhe ermöglichen. Politische Bildung kann nicht nur junge Menschen auf ihrem Weg begleiten, sondern auch ältere Menschen immer wieder neu mit Demokratie in Berührung bringen. Demokratie ist aber mehr als nur die Wahlen und das Grundgesetz.
Deshalb meine drei Wörter zu Beginn der Antwort.
- Neugierig steht für das (Hinter-)Fragen. So wie Kinder, die uns oftmals mit ihren Fragen überraschen. Diese kindliche Neugierde hilft ein Leben lang wissensdurstig zu sein. Ebenso sollte die politische Bildung neugierig bleiben, nicht einrosten.
- Inklusiv ist das was häufig noch nicht funktioniert, was für unsere Gesellschaft aber sehr wichtig ist, um wirklich alle Menschen mitzunehmen. Hier ist der Perspektivwechsel besonders gefragt, eine Herausforderung, die die politische Bildung aber auch die außerschulische Bildung im Allgemeinen angehen muss.
- Mutig, um die oft komplexen und schwerzugänglichen Themen, die unsere globale Welt mit sich bringt mit Tatendrang anzugehen – und das wie man so schön sagt: out of the box. Gewohnte Lernformate und -umgebungen verlassen, um mehr Kreativität zu fördern und das eigene Handeln zu stärken.
Welchen Beitrag könnte das derzeit diskutierte Demokratiefördergesetz zur Stärkung von Initiativen gegen Extremismus hierzu leisten?
Das Demokratiefördergesetz wäre ein wichtiger Beitrag für eine Verstetigung der außerschulischen politischen Bildungsangebote. Ohne eine dauerhafte Förderung, sind viele der heute bestehenden Initiativen und Projekte – der Name sagt es bereits – auf Projektanträge und somit Fördermittel angewiesen. Das bedeutet für die berufliche Praxis befristete Verträge und ein hoher Innovationsdruck im Hinblick auf die Projektarbeit. Für eine erfolgreiche Demokratiearbeit in Vereinen, Verbänden und Institutionen braucht es aber eine langfristige Perspektive. Themen wie Extremismusprävention oder Antirassismusarbeit lassen sich mit einer mathematischen Formel in eine Tabelle eintragen und zack ist die Lösung, das Patentrezept da. Es bedarf individueller und passgenauer Konzepte, manchmal auch das Aufbauen neuer Strukturen, um langfristig etwas zu verändern. In meinem Modellprojekt mit der THW-Jugend Nordrhein-Westfalen haben wir mit über 200 Ehrenamtlichen diese gemeinsame Erfahrung gemacht: Das Interesse und der Wille ist da, aber es braucht Zeit, um die nachhaltige Auseinandersetzung mit den Themen der politischen Bildungsarbeit und den damit verbundenen Kompetenzerwerb zu ermöglichen. Wir hatten drei Jahre Zeit, das klingt erst einmal viel. Wenn man aber bedenkt, dass unsere Zielgruppe innerhalb ihres eh schon sehr zeitintensiven Ehrenamts sich mit diesen Themen zusätzlich beschäftigt und nebenbei noch einem Beruf nachgeht, Familie/Freunde-Alltag managet… da sind die Zeitfenster und Kapazitäten rar. Mit vereinten Kräften haben wir es geschafft Bildungsmaterialien zu entwickeln, die bis heute im Einsatz sind. Gerne hätten wir uns hier aber mehr Zeit gelassen und längerfristig diese Themen im Verband behandelt. (Mehr Infos zum Projekt unter www.andersstattartig.eu)
Wie ist es in der Pandemie um unsere Demokratie bestellt? Welche Möglichkeiten haben wir, die Demokratie zu stärken?
Eine spannende Frage, der wir Anfang Januar in einer Diskussionsreihe namens Corona-Demokratie nachgegangen sind. Wer mag, kann gerne unseren Blogbeitrag zu genau dieser Frage nämlich Wie geht es unserer Demokratie lesen. Demokratie weltweit leidet in der Pandemie, keine Frage. Das Pandemiejahr 2020 hat weltweit viele gesellschaftliche Spannungen und Unsicherheiten hervorgerufen. Auch in Deutschland ist die Demokratie weiterhin einer Belastungsprobe ausgesetzt. Die Frage der Mitbestimmung wird immer dringlicher.
Ein positiver Trend: Bürger- und Volksbegehren sowohl analog als auch auf neuen digitalen Plattformen wie bspw. CONSUL nehmen zu. Hier zeigt sich gerade in der Pandemie auch der digitale Raum als Chance sich mit politischen Entscheidungsprozessen auseinanderzusetzen und aus der Zivilgesellschaft heraus Themen zu besetzen. Die Pandemie hat uns gezeigt, was für ein gutes Leben auf dieser Welt wirklich wichtig ist. Vielleicht treibt uns das als Gesellschaft zukünftig auch in Sachen Klimaschutz an. Damit wir mit Zuversicht die anstehenden Wandlungsprozesse angehen.
Wenn ich an mein Studium zurückdenke, denke ich gerne an:
Meine kleine Masterfamilie – wir waren nämlich nur zu 7. Das war eine ganz besondere Lernatmosphäre auch mit den Professor*innen. Wir hatten die Gelegenheit uns sehr intensiv mit den wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen.
Mit Vechta verbinde ich:
Mit dem Fahrrad schnell überall zu sein, legendäre Abende in der Banane und der Beginn von Freundschaften (Welche weiterhin Bestand haben, obwohl wir heute über ganz Deutschland verteilt sind).
Aus meiner Studienzeit habe ich diesen Gegenstand aufgehoben:
Die bunten Semesterausweise. Das war einfach kurios und wir haben auch mal Wetten abgeschlossen, welche Farbe im kommenden Semester wohl gewählt wurde.
Mein Tipp für Studieninteressierte und Studierende ist:
Nehmt Angebote wie Studieninformationstage war, um euch jenseits von Homepagetexten einen Eindruck zu verschaffen. Kommt mit Studierenden vorab in den Austausch. Nutzt die Zeit nach dem Abi und auch im Studium während der Semesterferien, um Praktika zu machen. Für mich waren sie ein enorm wichtiger Baustein. Neben dem Kennenlernen von unterschiedlichen Berufsfeldern, kann man durchaus Studieninhalte praktisch einsetzen und gleichzeitig eine Vielzahl an Soft Skills erwerben.
Stand: Juni 2021